Die zürcherischen Schanzen an der schwyzerischen Grenze

Von E.Stauber, Lehrer, Töss    1905

 

In den verschiedenen eidgenössischen Bruderkriegen, in denen die Stände Zürich und Schwyz als Gegner sich bekämpften, wurde das zürcherische Gelände an der schwyzerischen Grenze, die Herrschaft und spätere Landvogtei Wädenswil, jeweils stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Boden wo vorher die Bewohner als gute Nachbarn freundschaftlich verkehrten, ward dann zum Schauplatz von Mord- und Brandtaten; die einen kamen in verheerenden Plünderungszüge, währen die andern ihren heimatlichen Herd verteidigten.

 

Schon im alten Zürichkrieg standen die heute zürcherischen Grenzgebiete dem wilden Kriegslärm sehr nahe. Da aber die Herrschaft Wädenswil damals noch dem neutralen Johanniterorden unterstand, blieb sie von den Greueln des Krieges fast ganz verschont, während die abwärts gelegenen Gemeinden schwer heimgesucht wurden.

 

Für die Gemeinden Wädenswil und Richterswil gestaltete sich die Sachlage ungünstiger, als anno 1549 die Herrschaft an die Stadt Zürich überging. Denn von nun an standen sie in einem Kriege zwischen Zürchern und Schwyzern den Einfällen der letztern offen. Mit der auf Betreiben von Schwyz und Glarus erfolgten Schleifung der festen Burg Wädenswil, die den Eingang in die nunmehr zürcherischen Lande beherrscht hatte, war der ganzen Gegend der feste Stützpunkt genommen, der ihr in Kriegszeiten gute Dienste hätte leisten können. Das neue und weniger feste Schloss Wädenswil befand sich zu weit abseits, um ein feindliches Eindringen wirksam verhindern zu können.

 

In den nachfolgenden Religionskriegen von 1656 und 1712 war denn auch die Landvogtei Wädenswil teilweise dem Feinde preisgegeben. Im Wädenswiler- und Richterswilerberge spielten sich jedes Mal erbitterte Kämpfe ab, die namentlich im Zwölferkrieg nicht unwesentlich den Verlauf der Fehde beeinflussen. In diesen Kriegen wurden zur Verteidigung und Sicherung der Grenze Schanzen aufgeworfen, deren Anlagen noch heute bemerkbar sind.

 

Das Gelände des Richterswiler- und Wädenswilerberges bildet eine gegen die rechte Seite der Sihl begrenzende Anhöhe Aplis ansteigende Terasse von 3 – 5 km Breite. Aus dem fruchtbaren, mit zahlreichen Höfen besetzten Gebiete treten einen Menge von kleinern und umfangreichern Moränenhügeln hervor, deren höchste reizende Aussichtspunkte find. Die Grenzen der beiden Gemeinden Richterswil und Wädenswil erstreckten sich in frühern Jahrhunderten bis zum Raum der Hohen Rhone und an die Sihl; die heutigen Gemeinden Hütten und Schönenberg entstanden erst im achtzehnten Jahrhundert.

 

In Hütten (ze dien huetten 1264) stand schon vor der Reformation (seit 1490) eine Kapelle, als eine Filiale von Richterswil und bis 1703 ward sie vom dortigen Pfarrer besorgt; von da an wurde in der 1667 neu gebauten Kirche durch den Pfarrer von Schönenberg Gottesdienst gehalten; 1752 erhielt Hütten einen eigenen Vikar und seit 1824 bildet es eine eigenen Kirchgemeinde.

 

Die politische und die Kirch-Gemeinde Schönenberg entstanden im Jahre 1702, nachdem sich 1697 viele Höfe und Weiler im Wädenswiler Berg an die Regierung gewandt hatten mit dem Gesuche, ihnen zu einer eigenen Kirche zu verhelfen. Die 1703 geweihte Kirche und das gleichzeitig erstellte Pfarrhaus wurden in zwei Ecken der 2,5 m hohen und 0,5 m dicken Kirchhofmauer gebaut. Die letztere erhielt aus strategischen Gründen diese ungewöhnliche Festigkeit; im Notfall sollte man sich von hier aus gegen feindliche Einfälle wohl verteidigen können. Diese Mauer ist heute noch zum grössern Teil in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten; ein Teil derselben wurde bei der Erweiterung des Kirchhofes niedriger gemacht. (Dieser Totenplatz birgt das Grab des im Bockenkrieg von 1804 als Sekretär Willis tätigen R. Hauser (1774 – 1858), dem die Gemeinde am hundertsten Geburtstag einen einfachen Denkstein widmete).

 

Dem ganzen Gelände von der schwyzerischen Grenze an bis nach Hirzel waren im sog. Rapperswiler- oder ersten Vilmergerkrieg von 1656 trübe Tage beschieden. Die Flucht von Reformierten aus Arth nach Zürich (23. September 1655) und der Schutz, den dieses den Nikodemiten angedeihen liess, bildeten den äussern Anlass, einen blutigen Bruderzwist herbeizuführen. Zürich erklärte am 6. Januar 1656 den Katholiken den Krieg. Da es wohlgerüstet war, hoffte es zuversichtlich, den seiner Religion ungünstigen Landfrieden von 1531 zu zerreissen und für die reformierten Ständen bessere Verhältnisse zu schaffen. Der zürcherische Kriegsrat bestimmte als Stützpunkte der Grenzverteidigung das Kloster Kappel und das Schloss Wädenswil. Ersteres wurde in einen kleine Festung umgewandelt und mit Geschützen wohl versehen. Zu Wädenswil wurde des Schlosses Ringmauer verbessert, auf noch andere dortige Befestigungsarbeiten bedeutende Kosten verwendet und in das Schloss brachte man vier Geschütze nebst viel Belagerungsgerätschaften.

 

Der Oberanführer, General Rudolf Werdmüller, beabsichtigte, den Feldzug mit der Einnahme eines wichtigen Punktes zu eröffnen, damit das Eindringen ins feindliche Gebiet zu sichern und gleichzeitig den Krieg ausserhalb die Grenzen des eigenen Landes zu verlegen. Der General entschied sich für Rapperswil, das er in kurzer Zeit einzunehmen versprach. Der unmittelbare Angriff auf die Stadt sollte auf dem rechten Seeufer erfolgen, gleichzeitig aber hätte ein zweites Korps dem linken Seeufer nach hinaufzuziehen, um wo möglich des linksseitigen Ausganges der Rapperswilerbrücke sich zu bemächtigen, mithin der Stadt Rapperswil die direkte Verbindung mit Schwyz abzuschneien und ihre Übergabe zu beschleunigen.

 

Allein diesen Plänen setzten sich schwere Hindernisse entgegen; teilweise trugen die Zürcher selbst zum Scheitern derselben bei. Statt, dass am Tage des Auszuges nach Rapperswil (7. Januar 1656) ein Korps über das linke Ufer sich nach Hurden verfügte, erfolgten Auszüge nach Rheinau und Frauenfeld. Ein baldiges Gelingen der Eroberung von Rapperswil wurde durch diese vom General wohl kaum gutgeheissene Anordnung von Anfang an vereitelt und zudem ward das zürcherische Grenzgebiet im Richterswiler- und Wädenswilerberg den Einfällen der Schwyzer ausgesetzt.

 

Schon am 12. Januar 1656 hatten die Schwyzer die Vorposten der von Rapperswil aus nach Richterswil versetzten drei Kompagnien angegriffen, wobei auf beiden Seiten Tote und Verwundete auf dem Platze blieben. Die Massregeln zur Verteidigung der Grenze wurden zürcherischerseits gleichwohl nicht mit der nötigen Energie betrieben. Längs der ganzen über zwei Kilometer langen Grenzlinie wurde eine einzige Kompagnie Infanterie aufgestellt, die unter dem Befehl von Hauptmann Lochmann stand. Die Mannschaft ward auf zwei Wachten verteilt. Die oberste Wacht befand sich bei der Bellen (Bellen, Bella = keltische Wort für spitz zulaufenden Hügel), einem nahe des Hüttensees gelegenen Weiler von etlichen Häusern; die andere Wacht hatte ihren Standort auf dem Esel, einer Häusergruppe in der Nähe des Gasthauses zum „Sternen“. Der Posten bei der Bellen ward zu einer kleinen Schanze verwandelt, die namentliche durch Holzverschläge in Dreieckform, Hecken und Stauden Schutz gewähren sollte. (Für die Errichtung dieser Beschanzung vergütete später die Regierung dem Landvogt Escher in Wädenswil 1694 franz. Livres, wovon 426 franz. Livres für Bau- und Schanzenholz.) In die Bellenschanze wurden zur Bewachung der Grenze 50 Mann postiert, währen auf dem Esel eine etwas grössere Schar einen ziemlich guten Verteidigungsplatz inne hatte, der ebenfalls durch Häge und Stauden verbarrikadiert war.

 

Diese durchaus ungenügende Verteidigung konnte einem energischen Vorstoss der Feinde keinen Stand halten. Das zeigte sich denn auch beim Einbruch der Katholischen am 11. Februar 1656.

 

Im Kriegsrate zu Pfäffikon war nämlich beschlossen worden, die beiden Machten anzugreifen. Da ein Schwyzer Kommandant behauptete, dass die Besatzungen aus je 400 Mann bestehen und dass bei der Bellen eine starke Schanze mit Blenden und Wehren erstellt worden sei, wurde ein ansehnlicher Kriegshaufe, 2670 Mann, beordert, den Angriff auszuführen. Die Schwyzer, 1000 Mann stark, sollten der Schindellegi her nach der Löhlismühle und über den gefrorenen Hüttensee die Bellen umgehen und auf dem Hügel der Laubegg eine Wache setzen. Die Urner, Unterwaldner und Zuger, 1670 Mann, erhielten den Auftrag, den Posten auf dem Esel anzugreifen, sich dessen zu bemächtigen und da eine Wache von 500 Mann zu stellen; die übrigen sollten die Bellen angreifen.

 

Als die Zürcher bei der Bellen den starken Zug der Feinde bemerkten, zogen sie sich in westlicher Richtung zurück, einer so gewaltigen Übermacht konnten sie keinen Widerstand entgegensetzen. Die Hauptmacht der Katholischen war inzwischen nach dem Itlimoos, hart an der zürcherischen Grenze, gezogen und schickte etwa 100 Musketiere voraus, damit sie den Posten auf dem Esel angreifen. Auch hier wichen die Zürcher bald zurück, so dass den fünf Orten fast ohne Kampf der Einbruch in’s zürcherische Gebiet frei stand.

Im Kriegsrate der Katholischen war man über das weitere Vorgehen geteilter Meinung. Schliesslich gab man dem Willen der Zuger und Unterwaldner nach und beschloss, in die zürcherischen Lande einzudringen und die Zürcher bei der Sihlbrugg anzugreifen. Etliche hundert Mann wurden bei der Bellen zurückgelassen, um den Durchgang und einen allfälligen Rückzug offen zu halten.

 

Die Katholischen begannen alsbald, durch Brand und Plünderung, Morden und Rauben ihren Weg zu bezeichnen. Die Häuser bei der Bellen fielen in Asche, worauf die Horden sich Hütten und dem Wädenswilerberg zuwandten, überall panischen Schrecken verbreitend. Was fliehen konnte, flüchtete sich gegen Horgen. Etliche betagte und junge Leute vermochten nicht mehr, sich zu retten; sie fielen den schonungslos wütenden Feinden in die Hände. „Manchen haben sie die Augen ausgestochen oder die Nase gstümplet und sonderlich die Mäuler ufgeschnitten und die Köpf gespalten; etliche Kinder gingen verloren; viele Personen wurden gefangen und abgeführt.“ Die Kapelle in Hütten ging in Flammen auf, wie auch eine Menge anderer Gebäude eingeäschert wurde. In den Häusern zerschlugen die Feinde die Geräte, wertvolle Gegenstände wurden geraubt, die Vorräte entführt. Vielfach hatten es die Katholischen auf die Bibeln abgesehen, die sie, soweit sie ihrer habhaft werden konnten, vernichteten.

 

Die ganze Gegend bis nach Hirzel erlitt schweren Schaden durch die angerichteten Verwüstungen. In Hütten lagen 21 Häuser in Asche. Im Richterswiler Berg hatten zwanzig Personen ihr Leben verloren; fünfzehn Gebäude wurden verbrannt; 1183 Stück Vieh war von den Feinden weggeführt worden; 97 Haushaltungen beklagten Schädigungen irgend welcher Art. Im Wädenswiler Berg erlitten 132 Familien Schaden und in Hirzel wurden 19 Haushaltungen beraubt.

 

Als die plündernden Scharen gegen Hirzel vordrangen, erging in Horgen der Glockensturm, da man fürchtete, die Feinde würden dieses Dorf überfallen. Thalwil war voll geflohener Frauen und Kinder.

 

Auf die Kunde vom Überfall brach General Werdmüller mit 1000 Mann von Rapperswil auf, fuhr eilends über den See nach Richterswil, um den feindlichen Verwüstungen Einhalt zu tun. Er griff zunächst den Kriegshaufen bei der Bellen an und jagte ihn bald in die Flucht. Gleichzeitig war es den zerstreuten zürcherischen Posten gelungen, sich in der Nähe der „Tanne“ (Schönenberg) zu vereinigen. Von Richterswil erhielten sie Zuzug; auch stiessen Schaffhauser Reiter zu ihnen Als ihnen der Anmarsch von General Werdmüller gemeldet wurde, griffen sie die Feinde an, die sich nach längerem nächtlichem Kampfe zurückzogen. Die Zürcher rächten sich durch Einäscherung der Lölismühle, des nahen Wirtshauses und auch des Hauses am Schollhammer, „aus welchem je und je die grössten Lästerungen ausgestossen worden waren.“

 

Dieser glücklich zurückgewiesene Angriff war das letzte wichtigere Ereignis des Rapperswilerkrieges, indem unmittelbar nachher ein Waffenstillstand und am 7. März der Friedensschluss folgte. Dieser sicherte infolge der Niederlage der Berner bei Villmergen (24. Januar 1656) das Übergewicht in der Eidgenossenschaft neuerdings den Katholiken.

 

Die während des Krieges von Zürich errichteten Schanzen zu Rüti, Kappel und bei der Bellen bildeten noch längere Zeit den Gegenstand von Unterhandlungen zwischen den Parteien. In der Tagsatzung vom 16. Mai 1656 bestimmten die Schiedorte, dass die Schanzen demoliert werden sollten; ebenso sollten die übrigen Festungswerke, welche die Zürcher auf der Landschaft angelegt hatten, verschwinden. Mit der Ausführung dieser Verfügung sollte am 29. Mai begonnen werden. Die Zürcher hatten es jedoch damit nicht so eilig; denn in einer spätern Tagsatzung baten die fünf Orte die Säze (Schiedorte), sich bei Zürich wegen der Schleifung der Schanzen zu verwenden, damit dem Friedensschluss Genüge geschehe. Zürich zeigte sich zum Vollzuge bereit, knüpfte aber daran Bedingungen wegen Rapperswil. Die Schanzen wurden indessen nicht niedergelegt und Reklamationen erfolgten eine Reihe von Jahren nicht mehr. Bei der Erledigung des Wigoltingerhandles (1664) drangen jedoch Schwyz und Zug auf gänzliche Schleifung dieser Werke; die Gesandten Zürichs erklärten, nicht instruiert zu sein, erinnerten aber zugleich an die zu Baden und Rapperswil errichteten, ebenfalls noch nicht zerstörten Befestigungen. Damit hatte es sein Bewenden; die Schanze bei der Bellen blieb bestehen.

 

Die durch die Vernachlässigung des Grenzgebietes gegen Schwyz erlittenen Heimsuchung im Rapperswilerkrieg übte auf die Kriegsmassnahmen der Zürcher im folgenden Bruderkrieg, dem Togenburger- oder zweiten Villmergerkrieg von 1712 eine günstige Wirkung aus, indem dieser Gegend durch Anlegung von Schanzen ein besserer Schutz zu Teil wurde als anno 1656.

 

Die direkte Ursache des Toggenburgerkrieges bildete das seit Jahren gespannte Verhältnis des Abtes von St. Gallen zur Landschaft Toggenburg, die zu dessen Herrschaft gehörte. Anderseits schürten verschiedene Vorkommnisse die erneute Entzweiung der Eidgenossen. Die unter gemeinsamer Hoheit stehenden Gemeinen Herrschaft boten viel Stoff zu religiösen Zwistigkeiten und auch der französische Gesandte suchte die alte Feindschaft zwischen Protestanten und Katholiken aufs neue zu entfachen. Das unter der Asche glimmende Feuer kam zwar beim Beginn der toggenburgischen Streitigkeiten im Jahr 1707 noch nicht zum Ausbruch. Allein das Toggenburger-Geschäft blieb von nun an das Schmerzenskind der Tagsatzungen. Jahrelang zankte man sich herum; an den Grenzen traute man dem Nachbar nicht mehr und wiederholte kam es an der Grenze gegen Schwyz zu sogenannten „blinden Lärmen.“ Das Verhältnis der Toggenburger, die in ihrer Mehrheit reformiert waren, gestaltete sich gegenüber dem Abte von St. Gallen immer gespannter, und durch die Besetzung der Klöster Magdenau und St. Johann seitens der Toggenburger brach am 12. April 1712 der Krieg aus. Schon am folgenden Tag sandten die Zürcher einige Hundert Mann zur neuen Kirche im Schönenberg und 4000 Mann nach dem Toggenburg. Diese „Lupfung der Waffen“ wurde von den Katholiken als Friedensbruch angesehen und Schwyz protestierte in einem Schreiben an Zürich „vor Gott und der ehrbaren Welt in bester und kräftigster Form.“ Zugleich traf auch Schwyz die nötigen Vorbereitungen zum Waffengange. Da es schon lange vorauszusehen war, dass die Angelegenheit der Toggenburger nicht auf friedlichen Wege erledigt werden könne, hatten vermutlich Zürich und Bern sich zuvor zum Kampfe gerüstet und zwar zu einem entscheidenden Kampfe mit Aufbietung aller ihnen zu Gebote stehenden Streitkräfte. Es wurden in diesem Kriege auf beiden Seiten die bedeutendsten Truppenkontingente aufgeboten, die je in der Eidgenossenschaft im Felde standen. Zürich verfügte allein über 20'000 Mann Infanterie, 840 Reiter und 360 Artilleristen mit 71 Geschützen; das Wädenswiler Korps umfasste 4000 Mann Infanterie, 155 Reiter und 70 Artilleristen mit 16 Geschützen.

 

Während bereits offene Fehde herrschte zeigten sich doch noch an der zürcherisch-schwyzerischen Grenze Zustände, die an die Kappeler Milchsuppe erinnern. So berichtet ein schwyzerischer Landschreiber, dass „die Richterswiler und Wädenswiler von guter Nachbarschaft wegen dem Schwyzer Volke, so auf den Posten standen, Heu und alles was sie haben, anerboten.“ Sie hätten auch die Schwyzer eingeladen, den Markt zu Zürich zu besuchen.

 

Die Kriegsvorbereitungen der Züricher waren nach allen Seiten hin sorgfältig getroffen worden. Ihre Truppenmacht zerfiel in fünf Korps, von denen das Elggäuer-Korps zur Offensive gegen den Abt von St. Gallen, das Grüninger Korps zur Deckung der Grenze gegen Uznach und Rapperswil, das Wädenswiler-Korps gegen Zug und Luzern, das Regensberger-Korps gegen Baden bestimmt war. Besondere Aufmerksamkeit schenkte der Rat in Zürich der Grenze gegen Schwyz. Was die Natur hier versagte, sollte durch Kunst ergänzt werden. Es wurde daher am 6. Mai 1712 beschlossen, das Korps zu Wädenswil durch Anlegung einiger Redouten an vorteilhaften Orten sicher zu stellen.

 

In gerader, von Nordwest nach Südost verlaufender Linie, hart an der schwyzerischen Grenze, wurden auf kleinen Kuppen die Sternen-, Eich- und Bellenschanze erstellt. Die Sternenschanze besass den Typus einer gevierten Befestigung mit drei Schiesscharten. Ihre Länge betrug 210 Fuss, die Breite 180 Fuss. Die Schusslinie war wie bei den beiden andern Schanzen nach der gegenüber befindlichen schwyzerischen Itlemoosschanze gerichtet, die eine Art Scheerwerk bildete, mit fünf Stücken armiert und inwendig mit Läden verkleidet. Kleiner und weniger stark wurde die Eichschanze erstellt; sie hatte ovale Form und besass Durchmesser von 120 und 150 Fuss. Von der Eichschanze ist heute keine Spur mehr vorhanden, sie befand ich dicht hinter der Station Samstagern. Für die Sternen- und Eichschanze wurden 872 franz. Livres bezahlt.

 

Die Bellenschanze gelangte in Form einer länglichen, fünfseitigen, 150 Fuss langen und 80 Fuss breiten Erdbefestigung zur Ausführung. Sie erhielt eine Brustwehr und einen Graben und gestattete deshalb der Besatzung, gegen den Feind ein doppeltes Feuer zu unterhalten. Der Graben war durch Schanzpfähle, die oben zugespitzt waren und in einer Reihe aufgestellt wurden, gedeckt und sicherte die Soldaten einigermassen gegen einen Sturmangriff. Zur Aufnahme der Besatzung war im Innern dieser Schanze eine Bretterhütte errichtet worden.

 

Den Abschluss in dieser ersten Verteidigungslinie bildete die Schanze auf der Höhe südlich Hütten. Es war ein geschlossenes, quadratisches Werk von 120 Fuss Seitenlänge, das auf der Seite gegen die Schwyzergrenze und gegen die Sihl mit Flankenverteidigung versehen war. Die Hüttnerschanze besass ähnlich wie die Bellenschanze eine Brustwehr und einen Graben. Trotz ungünstiger Witterung ward das Werk in vierzehn Tagen erstellt; die Kosten beliefen sich auf 309 franz. Livres. Die Arbeiten leitete Major Werdmüller, der als Kommandant der Besatzung später die Schanze verteidigte. Dieses Erdwerk, welches den Stützpunkt des rechten Flügels der zürcherischen Stellung bildete, beherrschte sowohl die aus der Höfe über Hütten gegen die Finsterseebrücke führenden Kommunikationen, als auch den südwärts über die Sihl führenden Steg. Anfänglich wollte man die das Dorf Hütten schützende Schanze auf dem Bergli, d. h. bei der dem Orte östlich vorgelagerten Häusergruppe, anlegen; auf Anraten von Major Werdmüller aber erbaute man sie auf der das Dorf beherrschenden Anhöhen die heute noch das Schänzli heisst und das Reservoir für die Wasserversorgung und eine schattige Anlage birgt; von dem einstigen Erdwerk begegnen wir heute nur noch wenigen Überresten.

 

Durch das Anlegen der Schanze ob dem Dorfe Hütten war allerdings dieses besser gesichert, dagegen die Entfernung von der nächst gelegenen Schanze auf der Bellen in dem Masse vergrössert, dass es dann, wie die Folge zeigte, dem Feinde gelang, zwischen beiden Erdwerken den Einbruch ins zürcherische Gebiet zu bewerkstelligen.

 

Für den Fall der Durchbrechung der ersten Verteidigungslinie wurde dahinter eine zweite geschaffen mit den beiden Stützpunkten Schönenberg und Schloss Wädenswil; der Kirchhof des erstern Ortes wurde in Verteidigungszustand gesetzt und mit Palisaden versehen.

 

Während die genannten Befestigungswerke im Mai 1712 erstellt wurden, hatte man aus Furcht vor einem Überfall durch die Katholiken schon im April in aller Eile Verschanzungen gemacht. So wurde der Sennwald ob Wädenswil, der diese Ortschaft deckte, mit wirklichen Brustwehren und aufgeführten Werken zu einer sichern Stellung verschanzt. Auch der schon von Natur befestigte, etwa vierzig Meter aus dem Umgelände aufragende Hügel Wolfbühl, noch heute Schanz geheissen, wurde in Verteidigungszustand gebracht. Eine kleine Schanze ward ferner oberhalb der Finsterseebrücke errichtet.

 

Zur weitern Sicherung der Grenze wurden 16 Geschütze ins Wädenswiler-Quartier gebracht. 4 Stücke kamen ins Schloss Wädenswil, 2 nach Richterswil, 4 in die Bellenschanze, 2 auf den Kirchhof Schönenberg, 2 nach Hirzel und 2 in die Hüttnerschanze. Von den 20 Kompagnien Infanterie, die dem Wädenswiler-Korps zugeteilt wurden, befanden sich Ende April 1712 3 Kompagnien zu Richterswil, 1 auf Kalchbühl und Gerlisberg nordöstlich der Sternenschanze, 2 auf dem Esel nördlich der Sternenschanze, 1 auf Schwanden nördlich vom Esel, 2 auf Samstagern, 1 am Bach hinter der Bellen, 1 auf der Bellen und zu Feldmoos nördlich dieses Werkes, 1 hinten am Hüttensee, 2 in Hütten, 1 in Schönenberg, 1 in der Verschanzung ob der Finsterseebrücke, 3 in Hirzel und 1 in Wädenswil.

 

Die getroffenen Verteidigungsmassregeln waren somit recht wirksam und durfte man mit Zuversicht einem Einfall der Feinde entgegensehen. Ehe diese Truppenmacht an die Grenze verlegt worden war, hatte eine Konferenz der katholischen Kriegsräte am 17. April beschlossen, einen Angriff auf das offen liegenden zürcherische Gebiet zu machen; die Feindseligkeiten sollten jedoch erst eröffnet werden, wenn die Mannschaft sämtlicher Orte sich vereinigt haben würde. Als dann die Truppen in Pfäffikon eingerückt waren, befürwortete Schwyz am 24. April seinen Offensivplan gegen die zürcherischen Grenzgebiete. Allein die Luzerner erklärten, sie hätten genaue Instruktion von ihren gnädigen Herren, mit ihrem Volke kein fremdes Gebiet zu betreten und an einer Invasion in zürcherisches Gelände nicht teilzunehmen. Uri verhielt sich reserviert, während Unterwalden und Zug gegen eine längere Untätigkeit sich aussprachen. Es fiel dann der Beschluss, jeder Ort  solle beförderlich um Ergänzung der Instruktion einkommen. Damit wurde der richtige Moment eines Einfalles verpasst; denn schon am 27. April rückte die Hauptmacht der Zürcher an der Grenze ein.

 

Schon am 28. April setzte es Alarm ab. Elf Schiffe der zürcherischen Flotte fuhren den See hinauf. Da man in Pfäffikon glaubte, es sei ein Angriff von Seite der Zürcher geplant, wurde in aller Eile die Schanze in Pfäffikon in wehrhaften Stand gebracht und ein Teil der Truppen verschanzte sich auf dem Hurdnerfeld. Die übrigen Mannschaften der Katholiken zogen gegen die Lölismühle am Ausgang des Hüttnersees und vermeinte man nicht andres, als „es werde der Tanz losgehen.“

 

Die bei Wädenswil aus Land gesetzten Truppen vermochten noch anderwärts Lärm zu schlagen. Von Menzingen aus wurden zehn Fahnen mit Völkern auf Schönenberg gesehen und eine kleine Schar unter Lieutenant Haab von Wädenswil näherte sich der Finsterseebrücke und versuchte sie anzuzünden. Die Schildwacht machte Lärm, es erging der Sturm und die Zürcher konnten ihr Vorhaben nicht ausführen.

 

In Schwyz war man über das Zaudern der andern katholischen Orte nicht zufrieden. Es herrschte auch im Lager ein allgemeiner Unwille, „dass eine so schöne, zum Angriffe hitzige und willige Armee nicht zur Aktion wolle gelassen werden.“ Der Kriegsrat zu Pfäffikon entwarf wohl etliche Pläne für die Offensive; aber der Rat in Schwyz genehmigte sie nicht. Die Zeiten waren längst vorbei, in welchen, wie im alten Zürichkriege, die Operationen allein von der Kriegsgemeinde bestimmt wurden. Jetzt sassen zu Hause die älteren Herren des Rates, die von der Ratsstube aus ihre Dispositionen erliessen. Dem Kriegsrate waren die Hände gebunden, so dass die Operationen nur langsam vollzogen werden konnten.

 

Nach alter Sitte waren für den Fall der Not, wenn der Sturm im Lande ergehen sollte, besondere Vorrichtungen getroffen. An bestimmten hervorragenden Punkten standen ständige Wachten, um durch Feuerzeichen, Harzpfannen, oder Abrennen von Doppelhacken auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Vom Hauptquartier in Pfäffikon aus lief die eine Kette über Schindellegi, Rossberg, die Linde zu Menzingen, nach Michael Landtwingen Berg, um von hier aus nach dem Rigi, nach Cham und über den Lindenberg nach Baden zu korrespondieren; die andere Kette zog von Hochetzel über die Bollern bei Einsiedeln nach der Rotenfluh und von da in drei Strangen nach Uri, Unterwalden und an den Stock bei Arth.

 

Die zürcherischerseits getroffenen Anstalten zur Verteidigung der Grenze scheinen die zürcherischen Truppen, deren Mannszucht schlecht war und in denen oft grosse Unordnung herrschte, in Sorglosigkeit versetzt zu haben. Diese kommt in einem damals kursierenden Gedicht deutlich zum Ausdruck:

 

„In dem Wirtshaus bei der Kronen   (in Hütten)

Thun die Krieger nimmer schonen

Commis, Wein, Bier, Fleisch und Fisch,

Bei stets wohl bloquirtem Tisch.

Wann sie von dem Schloss gekommen

Und gebetet gleich den Frommen,

Wird ein Pfeiflein angesteckt,

Bis die Tafel zugedeckt.

Dann schwätzt man von tausend Sachen,

Dass sich einer krank möcht lachen;

Und der’s beste sagen kann,

Ist der allerliebste Mann.

Geht es endlich an ein Schlafen,

Hängt man auf die Wehr und Waffen,

Ruht und wartet unverzagt

Bis der Tambour Tagwacht schlagt.“

 

Währen die zürcherischen Truppen an der schwyzerischen Grenze in beschaulicher Untätigkeit verharrten und die Kriegsräte der Katholiken in Pfäffikon sich wochenlang in endlosen Beratungen über einen Angriff erschöpften, herrschte in andern Landesgegenden blutiger Bürgerkrieg. Eine Position nach der andern ging für die Katholiken verloren. Schon am 26. April 1712 hatten die Zürcher Frauenfeld eingenommen und sich am 22. Mai der Stadt Wil bemächtigt, um dann vereint mit den Bernern den Marsch über Gossau nach St. Gallen fortzusetzen. Auch im Aargau verzeichneten die Reformierten einen Erfolg nach dem andern. Am Tage, da Wil kapitulierte, ergab sich noch Mellingen an die beiden evangelischen Vororte. Als am 26. Mai auch Bremgarten besetzt wurde, stand einem Angriffe auf Baden nichts mehr im Wege. Da dieses das Limmattal vollständig sperrte und auch die leichteste Verbindung von Zürich mit Bern und Basel unterbrach, mussten die Reformierten grossen Wert darauf setzen, die Stadt einzunehmen. Sie war durch das alte Schloss („der Stein“), durch das neue Schloss („die niedere Feste“) und durch eine Ringmauer mit Bastionen befestigt und mit 50 Geschützen armiert. Am 31. Mai begannen die Belagerungsarbeiten und schon am folgenden Tage wurde sie von Oberst Heinr. Rud. Reding von Schwyz ohne Schwertstreich an Zürich und Bern übergeben.

 

Mit dem Verlust von Baden hatten die katholischen Orte den einzigen Waffenplatz eingebüsst, welcher ihnen, ausser ihren eigenen Gebieten, noch übrig geblieben war. Die sofort aufgenommenen Friedensverhandlungen nahmen gleichwohl einen schleppenden Verlauf; die katholischen Stände weigerten sich nämlich, an Zürich und Bern den Ersatz der erlittenen Kriegskosten zu leisten. Die Verhandlungen, die am 3. Juni begonnen hatten, waren bis Mitte Juli noch nicht zum Abschluss gelangt, weil die Gesandten der katholischen Stände nicht gleichmässige Verhaltungsbefehle empfangen hatten. Am 18. Juli 1712 wurde zwischen Zürich und Bern einerseits und Uri und Luzern anderseits der Friedensvertrag definitiv abgeschlossen; an Schwyz, Zug und Unterwalden gab man bis zum 20. Juli Bedenkzeit.

 

Zürich war überzeugt, dass in Bälde der Friede vereinbart werde. Statt aber den definitiven Friedensschluss abzuwarten, vollzog es unvorsichtigerweise eine Massregel, welche dem zürcherischen Grenzgebiet leicht hätte verhängnisvoll werden können. Obwohl schon am 28. April beim Finsterseesteg, am 10. Mai beim Hafnersteg, am 21. Mai bei Richterswil und bei der Sternenschanze kleinere Gefechte stattgefunden hatten, und seither hie und da Einfälle mit Viehraub erfolgt waren, obwohl Schwyz, Zug und Unterwalten noch im Kriegszustand sich befanden, wurden doch am 14. Juli 1712 wegen der Ernte und den Friedenshoffnungen die im Felde stehende Mannschaft teilweise beurlaubt. Die in der Landvogtei Wädenswil befindlichen Kompagnien wurden bis auf 80 Mann reduziert, so dass nur noch etwa 1600 Mann zerstreut die Grenze bewachten.

 

Die starke Schwächung der zürcherischen Truppen, der auch eine Beurlaubung bernischer Mannschaften folgte, brachte die beiden reformierten Stände in eine um so ungünstigere Lage, als die katholischen Stände nach Ablauf der bewilligten Bedenkzeit, statt eine friedliche Erklärung abzugeben, ihre Kriegsvölker zusammenzogen. In Nidwalden beschloss am 15. Juli die Kriegsgemeinde Verwerfung des Friedens; Obwalden hatte schon am 8. Juli einen kriegerischen Auszug angezeigt. In Zug herrschte wilde Kriegslust und auch Schwyz verwarf am 16. Juli den Vertrag. Selbst in Luzern, das den Frieden schon unterzeichnet hatte, zeigte sich eine schlimme Gährung, vorab in der Landbevölkerung, so dass dieser Stand seine Gesandten zurückziehen musste.

 

Trotz der numerischen Schwäche der Zürcher wurde am 19. Juli in Kriegsrat der Zürcher ernstlich die Frage der Ergreifung der Offensive in Beratung gezogen, auf Vorstellungen verschiedener Offiziere aber noch kein definitiver Beschluss gefasst wozu neben andern Ursachen auch der Grund wesentlich beitrug, dass nach gemachten Beobachtungen auf der Schwyzer Seite irgend eine ernstliche Bewegung geplant wurde und dass dort auch Verstärkungen eingetroffen waren.

 

Am folgenden Tage, am 20. Juli 1712, erlitten die Berner bei Sins durch eine vierfache Übermacht eine Niederlage. Der günstige Erfolg dieses Überfalles steigerte die Kriegsstimmung der Katholiken bei Pfäffikon; die Mannschaft begehrte immer lauter in zürcherisches Gebiet einrücken zu wollen, den „Tanzplatz in des Feindes Haus zu verlegen und aus seiner Küche zu leben.“ Den Offizieren wurde gedroht, sie würden an den Eichen längs der Strasse aufgehängt, wenn sie sich weigern, die Truppen gegen den Feind zu führen. Die schwyzerischen Kriegsräte berichteten darum am 21. Juli an die Regierung in Schwyz, dass sie am 22. Juli in der Frühe den Feind angreifen werden; die Not an Geld dränge, gegen Zug Öffnung zu machen und die Verbindung herzustellen, ansonst es unmöglich sei, die Mannschaft weiterhin beisammen halten zu können.

 

Noch am gleichen Abend wurden die Truppen der Zürcher Grenze näher gebracht und das Hauptquartier schlugen die Schwyzer in der Schanze bei Itlimoos auf. Den Zürchern waren diese Bewegungen nicht unbekannt geblieben; die Schanzen wurden daher in Verteidigungszustand gesetzt. In der Sternenschanze befehligte Oberst von Saluzzo, ein Bündner; auf der Bellen hatte Major Escher das Kommando; auch Major Werdmüller auf der Hüttnerschanze machte sich kampfbereit. Unter den Offizieren der Bellenschanze befand sich ein achtzigjähriger Greis, Hauptmann Keller von Ohringen-Seuzach.  Schon im Jahre 1656 gehörte Keller als Jüngling der Besatzung der Schanze an; jetzt als Greis wollte er beweisen, dass er noch kräftig genug sei, um am gleichen Orte zu helfen. Er kam zu Fuss nach Zürich und begehrte, an der Bellen zu wachen und nötigenfalls zu kämpfen. Bei der Beurlaubung am 14. Juli weigerte er sich, den angebotenen Urlaub anzunehmen und blieb auf seinem Posten.

 

Der Plan der Schwyzer ging dahin, durch Überrumpelung sich zuerst der Hüttnerschanze zu bemächtigen. Zu diesem Zwecke hatte man von Zug Hilfe erbeten und auch zugesichert erhalten. Während die Schwyzer über die Aplishöhe marschierten, sollten 150 Menzinger nach Überschreitung der Finsterseebrücke ebenfalls am rechten Sihlufer gegen die Stellung vorgehen.

 

In der Morgenfrühe des 22. Juli 1712, des Maria Magdalenen-Tages, von welchem die Schwyzer besondern Erfolg erwarteten, machten sich diese zum Einfall bereit; aus ihrem Lager vernahm man an der Grenze das Singen der Litanei. Als es am Kirchturm zu Schönenberg 3 Uhr schlug, wurde auf dem Rossberg das mit Menzingen verabredete Feuerzeichen angezündet und es begann der Vormarsch. Eine Kolonne von etwa 800 Mann zog südlich, eine andere etwa 1500 Mann stark, nördlich dem Hange des Aplis (Applisberges) entlang, während ein dritter Haufe in der Itlimoosschanze zurückblieb. Die zweite Kolonne marschierte gegen das Bergli, ein zürcherisches Gehöft, wo eine Wache von 24 Mann stand. Diese konnte sich beim Nahen der Feinde noch rechtzeitig in die Hüttner Schanze zurückziehen, nach dem sie durch eine Salve Alarm gemacht hatte. Von den Bewohnern des Bergli konnten sich nicht alle flüchten; acht Personen wurden von den Feinden in grausamster Wiese misshandelt und ermordet.

 

Inzwischen brach der Tag an. Vergeblich warteten die Schwyzer auf die von Zug versprochen Hülfe, welche die Hüttnerschanze von Westen her hätte angreifen sollen. Sie suchten nun gegen die Schanze vorzudringen und das Dorf Hütten zu plündern. Allein Major Werdmüller empfing die Feinde mit Kanonen- und Gewehrschüssen, was sie veranlasste, den Angriff aufzugeben. Während dann die Kolonne links bei Halden in der Nähe von Hütten zur Beobachtung der Schanze und zur Sicherung der rückwärtigen Linie stehen blieb, marschierte die Hauptmacht der Berglehne entlang über Rebgarten und unter dem Schutze eines Wäldchens nach dem Segel, womit die befestigte Linie der Zürcher durchbrochen wurde. Wohl gab die Besatzung der Schanze noch Salven und Kartätschenschüsse auf die eindringenden Feinde ab, allein der Einbruch ins zürcherische Gebiet konnte nicht verhindert werden. Die Schwyzer setzten sich auf der Höhe des Segel fest, um die Unterstützung aus Menzingen abzuwarten. Es wurden nun drei Kompagnien gegen Schönenberg geschickt, die den befestigten  und besetzten Kirchhof angreifen sollten.

 

Unterdessen waren die Wachten im gesamten Quartier alarmiert worden. Rittmeister Eschmann, der nachherige Held des Tages, erzählt in seinem Bericht, dass die von ihm ausgesandten Reiter betrübende Kunde gebracht hätten. „Sie trafen viele unsere Leute an in äusserster Konsternation und Konfusion mit blutigen Köpfen, Weiber nur halb angekleidet, mit Kindern auf den Armen, andere Vieh nachführend, auch auf den Köpfen Bündel mit geflüchtetem Zeug tragend, alle über Kopf und Hals sich flüchtend.“ Die zwei Kompagnien auf dem Friedhof waren zwar mit etlichen kleinen Stücken versehren; allein die nötigen Verteidgungsmassregeln waren nicht getroffen worden. Eschmann ritt mit 24 Reitern von seinem Quartier in Aesch aus nach der Kirche und begehrte vom Kommandanten etwa 40 Mann, um die nahenden Feinde anzugreifen. Allein dieser erklärte, keine Leute entbehren zu können. Der unerschrockene Rittmeister entschloss sich nun, gegen die mehr als zwanzigfache Übermacht mit seinen Reitern vorzugehen. Unweit der Kirche bemerkte er schon den feindlichen Haufen herannahen. „Ich kommandierte meine Leuth, dass sie sich zuerst mit den Flinten zu feuern parat machen, in aller Eil darauf reiten und nach Losbrennen der Geschosse mit dem Säbel in der Faust sich herzhaft an die Feinde wagen sollten.“ Auch nahm er zu einer List Zuflucht. Zwei Reiter mussten die Hüte schwenken und sich gebärden, als würden sie eine nachkommende Partie Reiterei in aller Eile zu Hilfe rufen. „Dieser Streich gelang so glücklich, dass die Feinde, welche unser Fertig machen wohl sahen und das fingierte Kommando der Nachhut zu eilfertiger Assistenz und die Zurufe leicht hören mochten und solches nicht für eine Kriegslist, sondern für puren Ernst anschauten, sich mit uns in kein Gefecht einlassen wollten, sondern auf unsere Annäherung das Feld räumten.

 

Unterdessen traf Major Mattli mit etwa 140 Mann ein und die beiden Führer kamen bald überein, mit ihrer Mannschaft den Feind anzugreifen: Der Angriff und das Gefecht waren hitzig; in dem ziemlich lange währenden Treffen verloren die Schwyzer mehr Tote und Verwunderte als die Zürcher. Auch Major Mattli wurde verwundet und Eschmann’s Pferd tödlich verletzt. Die beiden Führer feuerten die schwer bedrängten Zürcher zum Verzweiflungskampfe an. Im Augenblicke der grössten Not trabte die Reiterkompagnie von Rittmeister Meyer und der übrige Teil von Eschmanns Kompagnie unter seinem Sohn herbei und nun vermochten die Schwyzer dem kräftigen Vorstosse der gesamten Truppe keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen; sie flohen in der gleichen Richtung, in der sie in der Morgenfrühe eingedrungen waren, ob dem Hüttensee hin, wendeten sich dann aber gegen die Bellenschanze.

 

Unterdessen hatte eine Abteilung Zuger von der Finsterseebrücke her die oberhalb derselben befindliche, von Hauptmann Ott verteidigte Schanze eingenommen und zerstört und beabsichtigte, sich mit den Schwyzern zu vereinigen. Als sie aber von dem kühnen Reiterangriff und dem Ausgang des Gefechtes hörten, gingen sie „hott und schwude“ über die Sihl zurück.

 

Die in der Itlimoosschanze zurückgebliebenen Schwyzer hatten im Laufe des Vormittags die Zürcher aus den mit Brustwehren versehenen Höfen von Weberrüti vertrieben und sich dort eingenistet. Von der Schanze aus beschossen sie unablässig die nahe Sternenschanze, aus welcher aber tapfer geantwortet und mit den zwei Sechspfündern wacker „gedonnert“ wurde; von einem Sturmangriff blieb die Sternenschanze jedoch verschont.

 

Bei Beginn der Aktion waren 180 Feinde nach der Lölismühle dirigiert worden, die nachher mit der bei der Weberrüti stehenden Abteilung einen Sturm auf die Bellenschanze unternahmen. Auf dem zwischen Eich- und Sternenschanze gelegenen Stollenrain pflanzten sie zwei Geschütze auf. Tapfer verteidigten sich die Zürcher in der Bellenschanze und weisen durch das sehr wirksame doppelte Feuer jeden Ansturm zurück.

 

Gefährlicher wurde die Situation, als die Hauptmacht der Schwyzer vom Segel her erschien und die Schanze heftig angriff. Unterstützt wurde das Vorgehen durch zwei bei der Blegi in Stellung gebrachte Geschütze. Dreimal wurde die Schanze berannt, allein jedes Mal mussten die Angreifer zurückweichen. Schätzenswerte Dienste leistete auch die rechts vom Werke auf der Welle des Seerains postierte Abteilung des Major Escher. Gleichwohl stand die Schanze in Gefahr, bei einem erneuten Angriff des fast zehnfach überlegenen Feindes, eingenommen zu werden. In diesem kritischen Momenten kam Hülfe. Die Rittmeister Eschmann und Meyer hatten zu ihren blauen Dragonern noch eine Kompagnie rote Dragoner, d. h. Reiter aus dem Kyburger- und Turbentaler Quartier, als Unterstützung erhalten und sprengten nun im Galopp über den Laubeggrain heran. Vor dem kühnen Angriff der Dragoner hielten die Schwyzer nicht lange Stand; sie flohen und wurden von Eschmann über die Landesmarken hinaus verfolgt. Die Aktion dauerte von 3 Uhr früh bis Mittags 11 Uhr.

 

Die Feinde verloren bei der Bellen 29 Mann, darunter den Pfarrer von Galgenen, der mit dem Kruzifix in der Hand vorangegangen war; beim Segel blieben 27 Tote; die Gesamtzahl der Toten auf der Seite der Katholischen betrug über hundert. Die Zürcher verloren drei Offiziere, den Major Kilchsperger, Hauptmann F. Hüni und Lieutenant Wunderli, nebst zwölf Soldaten. Der Schaden, den die Herrschaft durch den Einfall erlitt, wurde auf 7040 franz. Livres berechnet, woran der Rat 3145 franz. Livres vergütete.

 

Die Kämpfe an der Bellenschanze und bei Schönenberg wurden nachher in Liedern und Gedichten gefeiert. Eines dieser Lieder, „wahrhafte Beschreibung, wie es in der Aktion auf der Bellen und andern nächstgelegenen Orten mehr hergegangen“, wurde im Ton „Wilhelm bin ich der Telle, von Heldenmut und Blut“ gesungen und lautet:

 

„Am Papistischen Mariä Magdlena Fäst
kamen in drehtausen böse Gäft
Von dem Orte Schwyze überall
Und ihren Helfern in grosser Zahl.

Woltind einnehmen d’Herrschaft Wedeschwyl,
Mit grossem Gwalt in aller Yl.

Sie sahen viel auf diesen Tag
Nach ihrer eignen Leuten Sag.

Meintend, wie das alt Heiden Volck

Diese Heiligin aus der Wolck

Werd sie machen triumphieren

Und sie mit dem Siege zieren.

Wie das ja die Heiden thaten

Die ihr arme Götter hatten.

Hingegen traute Zürich seinem Gott,
Sein Glaub half ihm in solcher Not.

Es ist ihm sehr wohl g’lungen,
Das es mit Freud hat g’sungen,

Dem Allerhöchsten ein Danklied,

Dass er ihm hat gegeben Sieg.

 

Da sie auf das Bergli kamen,

Wie wir das alsbald vernamen,

Sie ermordet, muss ich sagen,

Fromme Leuth von alten Tagen,

Die sich nicht mehr köntend wehren,

Thetend sie wie Hünd verzehren.

Arme Weiber und jung Kind

Metzgete dies Schweitzerg’sind.

Dass war ja ein Schand und Spott

Vor dem grossen wahren Gott.

 

Nun zogens in sehr stolzem Sinn

Wohl zwüschen beyden Schanzten hin

Bym Dörfli Hütten und der Bällen

Lietzends hören ihre Schällen.

Dann die Kapuziner und Pfaffen

Vor ihnen har wie heidnisch Affen

Sungind starkt ihr Lytaneyen

Mit viel Gebrüll und lautem Schreyen.

 

Da sy weiters zogen hin

Auf den Sägel in dem Grimm

Sie schicktend etlich hundert aus,

Raubend und plündernd manches Haus,

Es kamend schier zur neuen Kirchen,

Schon drey Kompagnien hin geschlichen.

Aber Gott nahm ihn das Hertz,

So ich hör ohn allen Schertz,

Dass als uns vier und zwanzig Mannen

Von blauen Reuteren kamen gegangen

Thetend sy vor ihnen fliehen,

Und sich wieder zurück ziehen.

Drauf thet man ihnen stark nachjagen

Sie flöhend als wölltends verzagen,

Liessen Kess und Anckenballen,

So sie g’raubet wieder fallen.

Flohind zu dem Sägel gar,

Da ihr gross Hauf versammelt war.

 

Dieser Feind führt ein Wyl ein Gschrey

Und brüllete als wann er Meister sey.

Aber sein Freund währt nit lang,

Es ward ihm allzeit wider bang,

Da auch die Reuterey verstärket

Und es auch der Feind vermercket,

Machte er bald den Ryss auss,

Ob Blauw und Roth Reuter ihne grausst.

Und wolt nit mehr halten Stand

Flohe auss dem Sägel Land,

Es flohend auch gar durch die Sihl

Hattend weder Mass noch Zihl.

Eine Lust war es zu sehen an

Wie sie geflohen sind davon.

Diess hat den Feind sehr verdrossen,

Hette es gern wieder grochen

Lauffte drauf mit der Schällen

Auf die Schanze auf der Bällen.

Griffe da dieselbe an

Wie es g’sehen mancher Mann.
Aber Gott halff da bald wider

Dass der Fein ward glegt darnider.

 

Der Feind hielt zwar ein Hinderhut

So zuerst mit grossem Wut

Die Weberrüti täte drängen

Und dortum auf d’Brustwehr rännen.

Und darnach zusammenstossen

Dess sie aber nit lang gnossen

Dann die Schanze auf der Bällen

Thet ihn zuletzt auch über schällen.

 

Doch allda ihr grosser Hauff

Luffe zuerst grimmig drauff.

Allein die inn und bei der Schantz

Wehrten sich in diesem Dantz,

Dass sie dieselb nicht mögen gwünnen,

Die päpstlich Ehre that zerrünnen,

Man tat einandren braf zusprechen,

Die Schanz wollt man nit lassen brechen.

 

So bald auch die Reuterey dies vernommen,

Roth und Blauw, ist sie eilends kommen,

Zu Hülf über Laubegg herein wallen,

Darob den Feinden s’Herz sehr g’fallen,

Als sie thatend Trompeten hören,

Wollt es ihnen den Sack verzehren;

Rufften einanderen, man solt fliehen,

Und aus dem Zürichland wegziehen.“

 

Nach dem Kampfe an der Bellen retirierte die schwyzerische Angriffskolonne mit dem östlich Hütten postierten Beobachtungskorps, von den Zürchern unbehelligt, in wilder Flucht den Höhen von Schindellegi zu. Einen Einmarsch der Feinde befürchtend, flöchneten die zu Hause Gebliebenen bei allem Unwetter ihre Habe über Kopf und Hals in die Berge. Viel Volk verlief sich, so dass nicht alle Wachtposten besetzt werden konnten. Die allgemeine Verwirrung war so gross, dass das Panner bis nach Rothenturm getragen wurde und erst am folgenden Tag verbrachte man es ins Hauptquartier nach Feusisberg zurück.

 

Wegen Mangel an Truppen konnten die Zürcher ihren Sieg nicht ausnützen, was bei der grossen Unordnung im schwyzerischen Lager leicht hätte geschehen können.

 

Einen härteren Schlag als das Gefecht an der Bellen brachte am 25. Juli den katholischen Orten die Schlacht bei Villmergen, wo 8000 Berner einen sehr ernsten, zuletzt aber siegreichen und entscheidenden Kampf gegen ein stärkeres Heer der fünf Orte bestanden; mehr als 3000 Katholiken bedeckten die Walstatt.

 

Ermutigt durch die beiden Erfolge liessen die Zürcher am 26. Juli wieder von sich hören. Sie steckten ein Haus bei der Lölismühle in Brand und beschossen, wie schon zuvor, vom See aus das Bächhaus, Kirche und Pfarrhof zu Freienbach. Sie trugen sich mit dem Plan, auf beiden Seiten des Sees die Offensive gegen die Schwyzer und ihre Verbündeten zu ergreifen.

 

Dem Korps in Wädenswil wurde daher am 28. Juli  befohlen, „auf alle Weise gegen den Feind zu agieren, ohne irgend welchen betrüglichen Vorschlägen der Katholischen Gehör zu geben. Bei Einrückung in das Feindesland sollen den Soldaten alle Hostilitäten (Feindseligkeiten) erlaubt und nur das Brennen bei Leib- und Lebenstrafe verboten sein.“

 

Im schwyzerischen Lager herrschte fortwährend vollständige Verwirrung und Berzagtheit. „Jegliche Geldmittel fehlen; das Brot geht heute aus; vor und hinter uns steht der Feind; die eigenen Untertanen sind so lupfig und schwierig, dass Niemand mehr ausziehen und Wache stehen will, Jedermann bei Anblick der wenigsten Feinde flieht und die Posten verlässt.“ So berichtete der schwyzerische Kriegsrat am 28. Juli an die Regierung in Schwyz. Auf der Itlismoosschanze befanden sich vier Stücke, aber keine Soldaten mehr.

 

Die Herren in Schwyz gerieten angesichts solcher Verhältnisse in eine peinliche Lage, und als dann gar die in  Abhängigkeit von Innerschwyz stehenden Landleute der March mit Zürich in Unterhandlungen traten und dessen Schrim begehrten, fanden sie es geraten, bei Zürich einen Waffenstillstand nachzusuchen. Eine Deputation ging auf erhaltene Zusicherung freien Geleites am Morgen des 30. Juli nach Wädenswil. Sie hatte zugleich die Mission, wegen den an Weibern und Kindern bei Hütten begangenen Freveltaten sich zu entschuldigen und zu bezeugen, „Dass solches uns nit lieb und man werde solche zu gebührender Korrektion ziehen.“ Gleichen Tages jedoch hatte Zürich seine Kriegsräte in Wädenswil angewiesen, „auf das von einer schwyzerischen Abordnung daselbst gestellte Begehren eines Waffenstillstandes, welches sicherlich auf nichts anderes, als auf betrügliche Aufzüge abziele, nicht einzutreten, wenn anders Schwyz nicht eine Vollmacht von der Landsgemeinde habe und ohne weiter als Garantie das Schloss Pfäffikon, Hurden, das Hurdnerfeld samt Schindellegi, ohne dass etwas über deren Restitution gemeldet werde, abtrete, ansehnliche Pfandmänner stelle und den zu Aarau geschlossenen Frieden und was noch ferner beschlossen werde, genehm halte.“

 

Die am 31. Juli in Schwyz abgehaltene Landsgemeinde genehmigte diese von Zürich gestellten Bedingungen, und nachdem die zürcherischen Kriegsräte gleichen Tages zum Abschlusse eines Waffenstillstandes Vollmacht erhalten hatten, wurde am 1. August 1712 zwischen Zürich und Schwyz im Schlosse Wädenswil ein Waffenstillstand abgeschlossen, welcher Zürich sofort die Besetzung der genannten, schwyzerischen Gebiete gestattete.

 

Zürich suchte nun die Friedensverhandlungen in Aarau so zu beeinflussen, dass die von ihm besetzten Höfe, die ihm im alten Zürichkrieg entrissen worden waren, wiederum ihm zugesprochen würden. Es wurden die bernischen Gesandten bearbeitet, die Beibehaltung der Posten  zu erzielen. Zürich erklärte, Schwyz werde durch die Abtretung der Höfe keineswegs eingeengt, der Besitz der Höfe sichere den Pass nach Einsiedeln noch nicht. Die Richterswiler hätten daselbst viele Besitzungen an Gütern und Wald; ihr Schaden während des Krieges belaufe sich auf 7000 bis 8000 Gulden, wofür billig ein Ersatz gebühre. Der kostbare Steinbruch der Stadt Zürich in Bäch sei so verdeckt worden, dass die Wiederherstellung mit 2000 franz. Livres kaum möglich sei. Die Kapitulation von Schwyz laute deutlich, dass dieser Ort alle neuen Friedenspunkte anerkennen müsse. Allein Bern billigte die Eroberungspolitik Zürichs nicht und alle Vorstellungen des letztern richteten nichts aus, Bern drohte sogar mit einem Separatfrieden. Es machte Zürich Vorwürfe, dass dieses zu spät in Feindesland eingerückt sei, dass es seine Truppen nicht habe agieren lassen, bis Bern gesiegt und so fort. So vereitelte die Zwietracht der beiden refomierten Stände, dass Zürich sein Gebiet erweitern konnte; es musste nachgeben und am 11. August 1712 wurde zu Aarau der Friede geschlossen. Dieser kehrte die bisherigen Verhältnisse der konfessionellen Parteien völlig um und sicherte den reformierten Ständen das Übergewicht. So endete der blutige Bürgerkrieg des Jahres 1712, in dem „die Katholischen haben den Leuen und Bären rupfen dürfen und darob Zähn und Schwanz verloren.“

 

Die Kämpfe an der schwyzerischen Grenze hatten die Zürcher aus gefährlichen Lagen befreit und ihnen einen entscheidenden Sieg über ihre viel zahlreicheren Gegner gebracht. Diese Erfolge verdankten sie vor allem der Entschlossenheit und Tapferkeit ihrer Führer, von denen namentlich Rittmeister Eschmann sich ausgezeichnet hatte. Dieser kühne Reiter, der mit wenigen Dragonern die Feinde von Schönenberg vertrieben, im nachfolgenden Gefecht diese in die Flucht gejagt und hierauf die Bellenschanze gerettet hatte, wurde nach Beendigung des Krieges auf verschiedenen Weise ausgezeichnet und gefeiert. Burgermeister und Rat der Stadt Zürich stellten ihm eine Urkunde aus, worin sie „in wohlwollender Anerkennung der höchst rühmlichen, wahren, vaterländischen Treue, Tapferkeit und Eifers zur Beschirmung des Landes, welche ihr besonders getreue und liebe Burger Herr Rittmeister Foh. Fak. Eschmann zu Wädenswil bewiesen, ihm zur Bescheinigung ihres gnädigen Wohlgefallens die Gnade erteilt, dass seinem Sohn die Landschreiberei der Herrschaft Wädenswil auf sein Ableben hin zugesichert wurde“; dem Patente ward eine goldene Medaille beigefügt. Die Geistlichen der Herrschaft beschenkten Eschmann mit einer prächtigen, mit silbernen, vergoldeten Schlossen garnierte Bibel; seine sämtlichen Reiter widmeten ihm eine kostbare, silbervergoldete Weinkanne, ein Pferd darstellend, und eine prachtvolle, vergoldete Silberschale erhielt er von einigen Offizieren und Freunden der Dragoner-Kompagnie von Statthalter Meyer (Rittmeister Joh. Heinr. Meyer, Hauptmann Joh. Lienhart, Cornet Joh. Heinr. Zeller, Volontär Joh. Heinr. Escher, Volontär Joh. Konr. Bodmer und Feldsattler Joh. Rud. Schwyzer):

 

Nach dem Kriege ging von Eschmann die Mähr, er habe beim Angriff bei Schönenberg rote Spreu gesäet und darauf seinen plötzlich rote Reiter entstanden, die ihm halfen, die Feinde zu verjagen.

 

Rittmeister Joh. Jakob Eschmann entstammte einer angesehenen, begüterten Familie in Wädenswil, deren Glieder im militärischen und bürgerlichen Leben frühe schon hervorragenden Stellen bekleideten; zu ihrem Wappen hatten die Eschmann zwei konzentrisch ineinander liegende Ringe, darüber einen Helm mit Reiherfedern.  Als Zeichen der Dankbarkeit für seine regierungsfreundliche Gesinnung hatte Hauptmann Joh. Jakob Eschmann im Jahre 1647, nach der Unterwerfung der rebellierenden Wädenswiler, vom Rat in Zürich eine goldene Denkmünze und das Ausserburgerrecht erhalten; auch sein Bruder Hans Eschmann, Landschreiber und Rittmeister, wurde als Burger der Stadt Zürich angenommen und sein Neffe überdies zum Erben des einträglichen Amtes eines Landschreibers ernannt. Die Familie Eschmann hatte die Landschreiberei schon seit der Erwerbung der Herrschaft Wädenswil durch die Zürcher (1549) bis 1778 inne und vererbte sich meist vom Vater auf den Sohn. Im Jahre 1667 empfing die Familie Eschmann für alle ihre Nachkommen das Ausserburgerrecht der Stadt Zürich, „teils wegen ihres Wohlverhaltens, sonderlichen bei der bekannten Vorfallenheit vor 21 Jahren.“

 

Der tapfere Rittmeister Eschmann starb im Jahre 1742 im hohen Alter von 88 Jahren. Die Geschenke, die er nach dem Toggenburgerkrieg erhalten hatte, wurden in der Familie stets sorgsam gehütet und befinden sich noch heute im Besitze der Nachkommen.

 

Nach dem Toggenburgerkrieg war den zürcherischen Schanzen an der Schwyzergrenze eine lange Friedenszeit beschieden, in der sie teilweise zerfielen.

 

Als beim Untergang der alten Eidgenossenschaft im Jahre 1798 die Schwyzer in heldenmütigem Kampfe die alte Freiheit wahren wollten, fielen die ersten Schüsse an der Grenze zwischen Zürich und Schwyz, und die Bellenschanze gelangte nochmals als Verteidigungsstellung zu Bedeutung. Am 30. April 1798 hatte General Schauenburg von Zürich aus zwei fränkische Heere an beiden Seeufern aufmarschieren lassen. Die auf dem rechten Ufer sich bewegende Kolonne warf nach kurzem Kampfe die bei Feldbach stehenden Truppen der Waldstätte zurück und eroberte Rapperswil.

 

Hartnäckiger wurde am gleichen Tage am linken Ufer gestritten, wo General Fraissinet mit etwa 2000 Mann die ihm an Zahl überlegenen Scharen der Verbündeten angriff. Bei Wollerau standen Höfner und eine Abteilung Glarner, in der Nähe der Bellenschanze ein zweiter Haufe Höfner und Einsiedler; den Rossberg und die von Hütten nach Schindellegi sich ziehende Anhöhe hielten die Schwyzer besetzt. Nach heissem Ringen gelang es zunächst den Freiheitskämpfern bei Wollerau, die Franken zum Weichen zu bringen und nach Richterswil hinunterzudrängen. Dort entspann sich ein weiterer Kampf, indem eine Schar Glarner von Bäch her die Feinde angriff. Lange und heftig wogte der Streit vor dem Dorfe, dessen Eingang mit Kartätschen besetzt war, bis die Franken ihre Gegner zurückzuwerfen vermochten; noch am gleichen Abend wurden Pfäffikon und Wollerau besetzt.

 

Mit grosser Tapferkeit wurde gleichzeitig bei der Bellenschanze gefochten, die von Franken und einer Abteilung Zürcher Scharfschützen besetzt war. Das Feuer der Zürcher fügte den Schwyzern bedeutenden Schaden zu und nach mehrstündigem Kampfe mussten letztere den Rückzug antreten. Es folgten dann die Gefechte bei Schindellegi, Morgarten und Rothenturm, und die Kapitulation von Schwyz am 4. Mai 1798.

 

Im Sonderbundskrieg von 1847 standen sich die Zürcher und Schwyzer zum letzten Mal gegenüber und wiederum wurden die Schanzen in den Bereich der militärischen Massregeln gezogen. Das eidgenössische Kommando verfügte die Besetzung des zürcherischen Grenzgebietes gegen Schwyz, worauf die Regierung in Zürich am 24. Oktober 1847 die Scharfschützenkompagnie Rellstab nach Schönenberg beorderte. Gleichen Tages beschloss die Tagsatzung, zur Wahrung der Rechte des Bundes ein Armeekorps von 50'000 Mann aufzustellen, und traf zugleich alle für den Kriegsfall nötigen Anordnungen; am 4. November fasste sie dann den Beschluss, den Sonderbund mit Waffengewalt aufzulösen. Nach Schönenberg wurde auch das Schaffhauser Bataillon verlegt. Die Schwyzer hielten die Grenze ebenfalls besetzt und suchten in erster Linie die über die Sihl führenden Brücken in Brand zu stecken. Bei dem Versuche, die Sihlbrücke bei Hirzel zu vernichten, entstand am 7. November ein gewaltiger Alarm in der ganzen Gegend; da sich aber die Schwyzer nach Menzingen zurückzogen, hatte die Angelegenheit keine weitern Folgen. In den an den Kanton Zürich angrenzenden zugerischen Gemeinden arbeitete man eifrig an Verhauen und Verbarrikadierung der Strassen. Mit grosser Wachsamkeit hütete das Schaffhauser Bataillon Gnehm die Pässe an der Sihl bei Schönenberg und Hütten gegenüber den Schwyzern, die an der Schindellegi und am Rossberg lagen; zwischen Hütten und Richterswil hielt das Appenzeller Bataillon Meyer die Grenze besetzt. Nach einigen Tagen wechselte dieses seine Stellung und wurde durch die Bürgerwachen von Stäfa, Wädenswil, Horgen und durch Infanterie von St. Gallen ersetzt. Während der Verschiebung der eidgenössischen Truppen am 13. November waren die Schwyzer unruhig geworden und vollzogen verschiedene Bewegungen. In aller Eile wurde die fast verfallene Schanze beim Sternen durch Sappeurs wieder hergestellt und hierauf besetzt; von beiden Seiten wurden bereits Schüsse gewechselt. Der Vorpostendienst bei Hütten gegenüber den immerfort plänkelnden Schwyzern besorgte am 18. und 19. November das Bataillon Stahel, das dann von dem Thurgauer Bataillon Labhardt abgelöst wurde.

 

Am 23. November, als bei Gislikon die eidgenössischen Truppen die Sonderbündler schlugen, wurde das Grenzgebiet zwischen Richterswil und Hütten der zweiten Landwehr unter Oberst Fierz zur Bewachung übergeben. Am 24. November erhielt die Brigade Blumer den Auftrag, einen Scheinangriff gegen die Schindellegi auszuführen. Bei der Sternenschanze sammelte sie sich und begann von hier aus den Vormarsch. Am Nachmittag entwickelte sich ein nutzloses Plänklergefecht, worauf sich die Brigade wieder nach der Sternenschanze zurückzog und in Wädenswil die Kantonnemente bezog. Die Landwehrbrigade Fierz hatte strengen Befehl, die Grenze nicht zu überschreiten; die Kompagnie Ryffel vom Bataillon Bühler wurde bei der Bellenschanze aufgestellt. Als nun eine Abteilung Schwyzer der sich zurückziehenden Brigade Blumer in die Flanke fallen wollte, wurde sie von dem Posten bei der Bellen und von den Bürgerwachen von Wädenswil und Richterswil zurückgeworfen. Trotz der bestimmten Ordre verfolgten die Bürgerwachen die fliehenden Feinde gegen die Schindellegi hin. An einem günstigen Standpunkt kehrten diese um und trieben die Bürgerwachen gegen Hütten zurück. Dem lebhaften Geplänkel machten einige Kanonenschüsse ein Ende, indem sich der Feind zurückzog. Am 26. November schloss Schwyz mit General Dufour eine Kapitulation ab, worauf die Bürgerwachen aufgehoben und die Landwehrbrigade von der Grenze zurückgezogen wurde.

 

Nach der Beendigung des Sonderbundkrieges war die Aufgabe der Schanzen erfüllt. Die kleine Eichschanze ist heute gänzlich verschwunden; die Erdwerke der Hüttnerschanze sind fast ganz verebnet worden; von der Bellenschanze blieb nur der nördliche Teil der Anlage erhalten; die Sternenschanze einzig zeigt sich in ihrem in Sonderbundskriege geschaffenen Zustande und mahnt heute noch an ernste Tage. Bei einer Kronenebreite von 1,5 Meter, einer innern Höhe von 1,5 Meter und einer äussern Höhe von 2 – 4 Meter, misst die in der Form eines Rechteckes erstellte Schanze 45 Meter in der Länge und 40 Meter in der Breite. Üppiger Graswuchs deckt das Erdreich; zwei Eingänge führen ins Innere der Anlage. Die Umgebung besitzt heute ein wesentlich anderes Aussehen als zu den Zeiten, da von der Schanze aus ins nahe Schwyzergebiet geschossen wurde; auf der Südseite des Werkes wurde nämlich im Jahre 1873 der grosse Weier erstellt, dessen Wasser zu Industriezwecken nach Richterswil geleitet wird.

 

Die Sternenschanze verdankt ihre Erhaltung wohl dem Umstande, dass sie im Besitze der Allmendgenossenschaft Richterswil sich befindet, einer Genossame, deren Gebiet etwa 300 Jucharten umfasst und ausschliesslich den alten Geschlechtern von Richterswil gehört. Sie wird das Erdwerk, in dem die Väter den heimatlichen Boden verteidigten, nicht verschwinden lassen und damit spätern Generationen eine historische Denkwürdigkeit sichern.