Die Kriegsflotte auf dem Zürichsee   von A. Heer, Zollikon, 1914

 

Einleitung

 

Im Programm der Schweizerreise des deutschen Kaisers Wilhelm II. vom 3. bis 6. September 1912 gehörte die Rundfahrt auf dem Zürichsee zweifellos zum Schönsten was dem hohen Gast in Zürich geboten wurde. Vor dem am 4. September abgehaltenen Seenachtsfest fuhr der hiezu prächtig ausgeschmückte Salondampfer "Stadt Zürich" den See hinauf bis auf die Höhe von Horgen und kehrte hierauf dem rechten Ufer entlang nach der Stadt zurück. Um dem Fremden die Schönheiten unserer Heimat recht wirksam vor Augen zu führen, gibt es kaum eine bessere Gelegenheit als eine Rundfahrt auf den See. Die Zürcher haben das von jeher gewusst, und wenn fremde Fürsten, oder sonst berühmte Persönlichkeiten in ihrer Stadt einkehrten, vergassen sie nicht, sie auf dem See Lustfahrten machen zu lassen. Hans Erhard Escher sagt z.B. in seiner Beschreibung vom Zürichsee vom Jahre 1692: "Wann Frömde Fürsten und Herren nach Zürich kommen, kann selbigen keine grössere Ehre bewiesen werden, als wann man sie auf disen See spatzieren führet. In sonderheit aber empfahhen Sie einen sonderbaren lust, wann Sie auf demselben in mitten des Sommers, da es am wärmsten ist, mit Verwunderung des benachbarten Schneegebirges ansichtig werden und also den Winter gleichsam vor Augen haben". Und weiter erzählt er: "Eine nicht nur lustige, sondern auch löbliche Ergötzlichkeit ist es auch, wann eine löbliche Feuer-Werker-Gesellschaft auf diesem See ihr Orgel-Geschütz und Stucke (Kanonen) mit solchem Krachen den ganzen Tag losbrennt, dass es wie ein starker Donner durch Berg und Tal erschallet, auch die Luftraqueten in solcher menge mit grossem Geprassel in den Luft schicket, dass einer von weitem die Gedanken machen sollte, es weren auf demselbigen zwei grosse under- und widereinanderen streitende Armeen."

Von solchen Rund- und Lustfahrten, an die sich zeitweilig Feuerwerksbelustigungen anschlossen, berichten uns die Chronisten sehr oft. Die hohen Besucher wurden auf wunderliche Schiffe, die ihrer Grösse und kriegerischer Ausrüstung wegen allgemeine Bewunderung erregten, deren Existenz aber schon längst der Vergessenheit anheimgefallen  ist, geführt und unter Musik auf den Metallglänzenden Spiegel des Sees hinausgeleitet. So hören wir, dass man 1647 die Herren von Bern auf dem See" köstlich traktieret und ihnen zu ehren ein herrliches Feuerwerk gespielet hat". Am 21. September 1690 ward der Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen, "gastiert" und am 15. Juni 1695 der Erbprinz Friedrich von Hessen-Kassel drei Tage lang "mit stattlichen Gastereien traktieret und im grossen Schiffe auf dem See geführet".

Die grossen Kriegsschiffe, deren es zuweilen so viele gab, dass von einer eigentlichen Kriegsflotte gesprochen werden darf, dienten aber nicht nur zu Paradefahrten, sondern sie griffen oft auch empfindlich in die kriegerischen Ereignisse, die unser Vaterland durchtobten, ein. Auch die Geschichte unseres Landes weiss von Seeschlachten zu erzählen. Waffenlärm und Kanonendonner hallten oft von den Ufern unseres Sees wider.

Noch eine dritte Aufgabe stand der zürcherischen Kriegsflotte zu. Die Zürcher waren von jeher eifrige Handelsleute. Vermöge der günstigen geographischen Lage hatte sich ihre Stadt im Mittelalter zu einem wichtigen Stapelplatz des deutsch-italienischen Transithandels entwickelt. Die Waren, die von Italien über die bündnerischen Pässe (Septimer) nach dem Rheingebiet, oder umgekehrt, gingen, wurden weitaus zum grössten Teil über Zürich geführt. Selbstverständlich suchte dieses seine Handelsinteressen seeaufwärts und limmatabwärts immer nach bester Möglichkeit zu sichern. Um die Handelsstrasse den See hinauf ist z.B. hauptsächlich der Zürichkrieg entstanden. Die mit Salz, Eisen, Wein und Korn schwer beladenen Handelsschiffe der Zürcher fuhren zahlreich den See hinauf. Zu ihrem Schutze wurden jedenfalls schon frühzeitig Kriegsschiffe oder doch Fahrzeuge, die leicht und vorteilhaft ausgerüstet werden konnten, gehalten. Mehrmals stachen sie mit solchen in See, um Rache an denen zu nehmen, die es wagten, ihre Handelsschiffe zu beeinträchtigen.

Unsere Aufgabe soll darin bestehen, die Entwicklung und Bedeutung der zürcherischen Kriegsflotte während ihres mehr als vier Jahrhunderte langen Bestehens, soweit es die Quellen erlauben, möglichst getreu zu schildern.

 

Die Kriegsflotte im alten Zürichkriege.

 

Die ersten Nachrichten von Kriegsschiffen reichen ins 14. Jahrhundert zurück. Die Seckelamtsrechnung von 1337 enthält z.B. folgende Ausgaben:

Ulin von Beche uf dem flosse knechten ze lone                                 6 Pfund

XIII knechten, so den bürgermeister fürten in dem minern Jassen  35 Schilling

VI   knechten in dem mehreren Jassen                                             16 Schilling

XII  knechten in den vertachten Schiffe                                             16 Schilling

1360 waren im nüwen (Ketzer) Turm 257 Ruder und 5 Steuerruder. Es waren also schon damals obrigkeitliche Schiffe, offenbar zu Kriegszwecken dienend, vorhanden.

Die Veranlassung zur Ausrüstung einer eigentlichen Kriegsflotte gab aber erst der Zürichkrieg. Damals führte den Feind der nächste Weg nach Zürich den Seeufern entlang, und es ist begreiflich, dass die Seefläche in Mitleidenschaft gezogen wurde. Um in unserer Schilderung zu einem Ziele zu gelangen, verfolgen wir deshalb kurz den Gang des Krieges, soweit sich die Ereignisse auf oder am See abspielten.

Im November 1440 hatte sich die Kluft zwischen den feindlichen Parteien so sehr erweitert, dass der Entscheid durch Waffen unvermeidlich war. Am Etzel, woselbst die Zürcher 6000 Mann stark, mit ca. 50 Schiffen gelandet hatten, standen sich die erbitterten Gegner kampfbereit gegenüber. Da erschienen im Lager der Zürcher die Absagebriefe der übrigen Eidgenossen. Dadurch erschreckt, und durch die Uneinigkeit, die in ihren Reihen herrschte, gelähmt, zogen sie sich zurück, ehe der Feind einen Angriff gewagt hatte. Am frühen Morgen des 6. Novembers konnten die Vorposten der über den Etzel vorrückenden Schwyzer durch den sich zerteilenden Nebel die abziehenden Zürcherschiffe entdecken. "Als luffent die gesellen hinus und sahen hinab. Als es demnocht fruo am morgen was, do sach man von Pfäffikon so vill schiffen am land und die vom land gingen lüten, die sy zälten, dass ir a wärint 52, die fluchend dahin über den see jens land gegen Stäfen und zoch eins dem andern nach". Sogleich rückten die Schwyzer und Glarner vor. Sie besetzten Pfäffikon und zogen hierauf an Freienbach und Wollerau vorbei nach Richterswil und Wädenswil. "Do schlug man sich nieder, und da fand man win und flaisch, visch und was man haben sollt, genuog und ward do auch vil gerobet." Am 7. gings weiter über Horgen und Thalwil bis Rüschlikon und Kilchberg. Die Seeleute waren mit dem Besten ihrer Habe in die Stadt geflohen und wurden dort freundlich ausgenommen und bewirtet. Der feind lag aber volle 14 Tage am linken Seeufer. "Also wurdent nun die lüt umb den see gar bärlich geschadgot, davon vil zu sagen wär." Der Wein musste es den Feinden besonders angetan haben. Wo zwei oder drei ein Schiff bekommen konnten, fuhren sie hinüber ans rechte Ufer, " und zugent den vin us den kellern und luodent den, als ob er ir wär." Ähnliche Plünderungszüge erlaubten sich auch die Besatzungen von Grüningen und Pfäffikon. Solche Schmach empörte die ratlosen Zürcher zuletzt denn auch. Auf Schiffen machten sie etliche Ausfälle und überrumpelten die raubenden Weindiebe.

Unter den von den Zürchern zu ihren Streifzügen benutzten Schiffen waren es besonders zwei, die durch ihre Grösse und gute Bewaffnung sich auszeichneten. Das eine, das Hrch. Meier befehligte, trug neben den Ruderknechten 35 Schützen und 7 Büchsenmeister, das andere, das "Schwedenschiff" war mit 38 Schützen und 6 Büchsenmeistern bewehrt. Als Zieher (Ruderer) wurden mit Vorliebe Seeleute, sogenannte Schiffsknechte, verwendet. Ein Rodel nennt uns mit Namen eine grössere Anzahl aus den Ortschaften Rüschlikon, Zollikon, Erlenbach, Männedorf und Meilen.

Eines Tages fuhren die Zürcher mit ihren Schiffen bei Rüschlikon, wo die Luzerner lagerten, nahe ans Ufer und begannen, ihr Lager zu beschiessen. Allein die Luzerner verteidigten sich tapfer, dass die Zürcher unverrichteter Dinge in die Stadt zurückkehren mussten. "Man seit auch dazumal für war", berichtet der schweizerische Chronist Fründ, der als Landschreiber den Feldzug mitmachte, "dass einer in den von zürich schiff nidergesessen von einem klapf der büchsen und dass demselben des gestüps worden wäre, dass er weder hand noch fuos mer geruorte (bewegte)". Weil damals die Schusswaffen noch sehr unvollkommen waren, beobachteten die Krieger noch mit Verwunderung die Wirkung ihrer Geschosse. Am folgenden Tage zogen die Zürcher wiederum gegen die Luzerner aus. "Des scharmutzens" waren diese aber müde geworden, und sie riefen den Zürchern zu, dass sie so manches Haus den Flammen preisgeben würden, so manchen Schuss man in ihr Lager sende. Wirklich brannten sie vier Häuser nieder. Als dies den Seebauern, die zum Teil zum Schutze ihrer Habe in ihre Heimat zurückgekehrt waren, bemerkten, wurden sie zornig und geboten den Städtern, mit dem Schiessen aufzuhören, "oder sie wellen anders darzuothuon".

Schon im ersten Zürichkriege tritt uns also die Verwendung von Schiffen zu Kriegszwecken entgegen. Im zweiten (1442 - 44), der an Heftigkeit den ersten weit übertraf und namentlich auch die Ufer des Sees noch härter in Mitleidenschaft zog, begegnen wir aber schon speziell nur für den Krieg gebauten Fahrzeugen, und zwar waren es zuerst die Schwyzer, die solche erstellen liessen. Zur völligen Einschliessung der mit Zürich verbündeten Stadt Rapperswil mussten sie die Seeherrschaft besitzen.

Um das durch den in Kilchberg abgeschlossenen Friedensvertrag verloren gegangene Gebiet am oberen Zürichsee wieder zurückzugewinnen, suchten die Zürcher einen mächtigen Bundesgenossen. Es gelang ihnen, den deutschen König, Friedrich III., das Oberhaupt des Hauses Oesterreich, versöhnlich zu stimmen, und am 17. Juli 1442 schloss die Stadt mit dem Erbfeinde der Eidgenossenschaft ein ewiges Bündnis ab. Im Herbste kam der hohe Bundesgenosse persönlich nach Zürich. Da empfing man ihn mitgrossem Jubel, "als wär er vom Himmel herabgekommen." Nach dem Bundesschwure im Grossmünster veranstaltete man dem Könige eine Lustfahrt auf dem See, die sich bis Rapperswil, das sich dem Bunde ebenfalls anschloss, hinauf erstreckte. Mit Staunen betrachteten die Seeleute den herrlichen Zug, der mehr als 30 grosse und eine beträchtliche Anzahl kleinerer Schiffe umfasste. Viele stiessen im Taumel der Freude vom Ufer ab und schlossen sich ebenfalls der prächtigen Fahrt des Königs an.

Ein neuer Waffengang stand bevor. Allein in den Reihen der Zürcher herrschte keine Einigkeit. Die Seebauern verfolgten eigene Interessen. Die Stadt hatte bewiesen, dass sie nicht fähig war, die Landschaft zu beschützen; so wollten sie sich mit Gottes Hilfe selbst helfen. Die schönen Ufer des Sees sollten nicht noch einmal ohne Schwertstreich der grässlichen Verwüstung des Feindes preisgegeben werden. Sie bauten bei Hirzel eine Letzi, "und mainten ouch da ze liggen und dannen nit ze wichen, ee es ein gantz frid oder unfrid wär". Dem Befehle des Bürgermeisters Stüssi, der ihnen Abzug gebot, trotzten sie kurzerhand. In Rapperswil brachen die ersten Feindseligkeiten aus. In der Nacht des 21. Mai 1443 brannten einige schwyzerische Gesellen die Rapperswiler Brücke ab. Schon am folgenden Tage erfolgte das erste Gefecht. Mit 10 Schiffen, in denen 535 Mann von denjenigen, die zu Rapperswil versammelt waren, sassen, fuhr man über den See gegen Pfäffikon. Zu ihnen gesellten sich noch zwei Schiffe aus dem Hofe Stäfa. Bei Freienbach schwenkte ein Schiff ab, "um dieses Dorf zu besehen". Die Schwyzer, die Zuzug erhielten, griffen die Eindringlinge aber so tapfer an, dass sie mit einem Verlust von 42 Toten das Dorf räumen mussten.

Die zweite Niederlage der Zürcher bei Hirzel öffnete den Feinden vollends den Zugang nach Zürich. Wie ein verheerendes Bergwasser ergossen sie sich über die unglückliche Landschaft. Alle befestigten Plätze fielen fast ohne Schwertstreich in ihre Hände, einzig Greifensee und Zürich blieben unversehrt.

Schon nach Mitte Juli rüsteten sich die Eidgenossen zu einem neuen Kriegszuge. Diesmal sollte die feindliche Stadt selbst fallen. Es gelang ihnen auch, die Zürcher vor den Stadtmauern bei St. Jakob an der Sihl abermals aufs Haupt zu schlagen, aber der Stadt konnten sie nichts anhaben. Auf ihrer Heimkehr das rechte Seeufer hinauf verfuhren sie sehr schonend, damit die Seeleute vielleicht huldigen, oder doch den Frieden suchen und vom Bunde abstehen würden. Auch Rapperswil, das sie hierauf vom 28. Juli bis 9. August 1443 belagerten, erlitt keinen Schaden.

Das Jahr 1444 vollendete das Unglück der zürcherischen Landschaft, Greifensee fiel, und Zürich selbst sah den Feind längere Zeit vor seinen Toren. Am meisten hatte das Städtchen Rapperswil zu leiden. Vom 23. April bis zum 26. November wurde es von den Eidgenossen zum zweitenmale ununterbrochen belagert. Diese hatten sich einen sehr grossen Floss "Schnecke" genannt, gebaut. Er trug 70 Mann und war mit Stein- und Tarrisbüchsen gut bewaffnet. Beständig kreuzten sie damit den See und machten sich auch in der Nähe des Städtchens gefürchtet.

Infolge der Niederlage, die die Eidgenossen durch die Armagnaken bei St. Jakob bei der Birs erlitten, mussten sie die Belagerung Zürichs aufgeben. Nun änderte sich der Charakter des Kampfes. Die Gegner waren zu keinen grösseren Unternehmungen mehr zu bringen. Sie beschränkten sich darauf, einander nach Kräften zu schädigen. Es setzte der Kleinkrieg mit seiner systematischen Zerstörungswut ein. Am See wurden z.B. alle Dörfer verwüstet und ausgeraubt.

Die Belagerung der Stadt Rapperswil dauerte indes ununterbrochen fort. Um die daselbst ausgebrochene Hungersnot zu lindern, versuchten die Zürcher auf Schiffen Nahrung zuzuführen. Jede Partei wollte sich die Seeherrschaft erzwingen. Man baute grosse Schiffsflotten, und so entwickelte sich auf dem Zürichsee im Jahre 1445 ein förmlicher Seekrieg, der endlich mit der vollständigen Vernichtung der schwyzerischen Schiffsarmada endigte.

Schon die Weinlese des Jahres 1444 führte zu allerlei kriegerischen Episoden. Die schwyzerischen Besatzungen von Freienbach und Pfäffikon liessen die Zürcher, die auf Schiffen zur Weinlese hinauffuhren und die Trauben im Schutze des Nebels oder der Dunkelheit am frühen morgen einernten wollten, beständig beobachten. Einst gelang es ihnen, 50 zürcherische Schiffe mit Fässern, Kufen und Tansen reichlich beladen, zu überraschen. Sie führten sie unter grossem Jubel nach Pfäffikon weg. Sogar die Zuger erschienen am rechten Ufer und "wimmeten mit all macht".

Eine empfindliche Schlappe erlitten die Schwyzer jedoch bei Erlenbach. Am 13 Oktober 1444 fuhren sie mit ihrem Panner über den See und legten mit der Absicht an, die dortigen Weinberge zu leeren. Allein den Zürchern war echtzeitig Kunde geworden. Als die Feinde, die teilweise der Bequemlichkeit wegen Harnisch und Waffe in den Schiffen zurückgelassen hatten, sich geschäftig ans Wimmen machten, "einer hin lief, der andere her, der einetruog, der andere zoch," erfolgte plötzlich ihr Angriff. Die Schwyzer wehrten sich jedoch mannhaft. Erst als zürcherischer Zuzug erfolgte, wurde deren Flucht allgemein. In voller Unordnung suchten sie, ihre Schiffe zu erreichen. Viele stürzten sich in den See und hielten sich an den Schiffsrändern fest. Einige wurden in die Schiffe gezogen, andern aber sollen die Eidgenossen selbst die Hände abgeschnitten haben, "sodass der See gar wit vom land gantz rot farw ward von itligem blut". Noch andere, die bereits glücklich in die Schiffe gekommen waren, wurden von den Zürchern mit ihren Schusswaffen doch noch erreicht, so dass sie herausfielen und ertranken. Dazu meint ein zürcherischer Chronist: "Also hattent die so gewümmet, dass si für win wasser trinken musstend". Als sich die Schwyzer von ihrem Schrecken etwas erholt hatten, fuhren sie den See hinunter gegen Küsnacht. Sie wollten den Zürchern den Rückzug nach der Stadt abschneiden und an ihnen den erlittenen Schaden rächen. Allein diese bemerkten deren Absicht und kamen ihnen zuvor. Unverrichteter Dinge mussten die Feinde wieder umkehren. Bei Erlenbach landeten sie nochmals, um ihre Toten zusammenzunehmen.

Indessen war die Not in der Stadt Rapperswil aufs äusserste gestiegen. Schon waren etliche Kinder vor Hunger gestorben, und die Mahnungen der Besatzung, die Verbündeten möchten doch Hilfe leisten, wurden immer dringender. Aus der Not half endlich Herzog Albrecht von Oesterreich. Von der Landseite und vom See her sollte die Stadt entsetzt werden. In aller Eile liess der Herzog durch einen "Meister" in Bregenz zwei gewaltige Schiffe, wie man solche bis anhin auf dem Zürichsee noch nie gesehen hatte, bauen. Jedes trug 200 grosse Büchsen und wohl 200 gewappnete Krieger. Als sie erstellt waren, fuhr man sie den Bodensee und Rhein hinab nach Diessenhofen. Von da wurden sie auf Wagen über Winterthur nach Zürich geschleppt. Edlibach hat uns in seiner Chronik von den beiden herzoglichen Jagtschiffen ein zwar einfaches, aber doch wertvolles Bild hinterlassen. Auf ihrem Schiffsboden standen Hütten zur Aufnahme der Mannschaft und zur Aufbewahrung von Waffen und Munition. Aus den Lucken in den Schiffseiten stachen lange Ruder.

Am 27. November brach der Herzog mit dem Markgrafen von Brandenburg von Winterthur auf und zog mit grosser Heeresmacht durch das Grüningeramt nach Rapperswil. Zu gleicher Zeit fuhren die beiden Jagtschiffe den See hinauf. Der Zug war ausserordentlich gut vorbereitet. Die beiden Abteilungen gaben sich Zeichen auf eine Stunde weit. Die Besatzung von Pfäffikon sah die Schiffe schon bei anbrechendem Tage den See hinaufkommen, den die neuen Mastbäume glänzten im Sonnenscheine. In Meilen hielten die Schiffe an. Bevor sie weiterfuhren liessen sie zwei Schüsse ertönen, und es ging nicht mehr lange, "da brannt das Grüningeramt in all macht, dass himmel und erd nit anders denn für und rouch was." Mit 20 gerüsteten Schiffen versuchten die Eidgenossen, die Jagtschiffe aufzuhalten. Bei Schirmensee stiessen die Flotten zusammen. Allein die Zürcher feuerten und verhinderten jeden Angriff. Mit Ihrem Proviant gelangten sie ungehindert in das verbündete Rapperswil.

Die Nahrungsmittel, die der herzog in die Stadt Rapperswil gebracht hatte, konnten deren Bewohner nur für kurze Zeit vor Not bewahren. Schon am 13. Dezember 1444 ging wieder eine dringende Mahnung um Lieferung von Proviant an die Zürcher. Die Belagerung Rapperswils dauerte also ununterbrochen fort. Die Schwyzer suchten auch fernerhin zu verhüten, dass die von Zürich und Rapperswil weder zu See noch zu Lande "mochtend zesamen wandeln." Dabei kam es oft zu kleinen Seegefechten, in denen die Zürcher aber vermöge ihrer Jagtschiffe den Schwyzern überlegen waren und Rapperswil nach Belieben verproviantieren konnten. Dies ärgerte die Schwyzer, und sie pflegten mit den übrigen Eidgenossen Rat, wie sie ihnen "das weren wöltint." Man entschloss sich, ebenfalls zwei mächtige Schiffe zu bauen. Das Holz dazu mussten die Waldungen des Wädenswilerberges liefern. Werkleute aus Luzern, Uri, Unterwalden, Zug und Glarus erstellten zwei Schiffe, den "Kiel" und die "Gans". Der Kiel mass 17 Klafter (ca. 30 Meter), die Gans 20.(ca. 36 Meter) Beide wurden mit Büchsen und guter Mannschaft bewehrt und waren bald an den Ufern des Zürichsees gefürchtet. Nicht genug! Nach Anleitung eines Meisters aus dem Grüningeramte bauten sie noch einen zweiten, viel stärkeren Floss als die Schnecke war. Er hiess "Bär" weil an seinem vorderen Ende ein grosser Bär gemalt war. Seine Länge betrug 120 Fuss. (ca. 36 Meter) Im Notfalle trug er 600 gewappnete Krieger; Brustwehren, Schirmdächer und 2 Büchsen, von denen die grössere, die aber nur hölzerne Kugeln schoss, unten, die andere oben eingezimmert war, gestalteten ihn gefahrdrohend, trotzdem er nur langsam ging. Nicht selten fuhr er in die Nähe der Stadt Rapperswil und belästigte sie. Die dortige Besatzung suchte ihm zwar mit ihren auf den Mauern aufgepflanzten Kanonen Respekt einzuflössen. So wurde der damalige schwyzerische Landammann, Johannes Abyberg, am 2. August 1445 durch einen Schuss getötet. Er stand hinter dem Schirme bei der kleinen Büchse. Die Kugel durchbohrte den Schirm und verletzte den Landammann an der einen Schulter. Er lebte noch drei Tage.

Die Belästigungen des Bären nahmen trotzdem ihren Fortgang. Da suchten die Rapperswiler ihn auch mit List beizukommen. Ein schlauer Werkmeister liess sich einen eisernen Ring mit vier nach oben gerichteten scharfen Spitzen machen. Mit Hilfe eines Tauchers wurde er an einem Pfahle aus Eschenholz im See, da wo der Bär gewöhnlich hinzukommen pflegte, so gestellt, dass die Spitzen gleich Angeln in das Holz eingreifen mussten. Der Ring, der heute noch gezeigt wird, war durch eine lange Kette und diese vermittels eines starken Seiles mit der Stadtmauer verbunden. Der Bär kommt wirklich wieder heran, die Rapperswiler ziehen am Seil, und die Hacken des Ringes bohren sich tief in einen Querbalken. Die Schwyzer glaubten sich schon gefangen und erheben ein Jammergeschrei. Etliche suchten die Kette zu zerschlagen, andere das Seil zu zerschiessen. Ihre Bemühungen blieben erfolglos. Die Freude der Rapperswiler wächst ins Unendliche. Sie ziehen aus Leibeskräften. Da reisst das Seil, und der Floss wird frei. Die Reibung auf der Stadtmauer liess es in Brand geraten, und Heinrich Bulliger, der auch als Chronist hervorragendes geleistet hat, meint dazu nicht ohne Ironie: "Wenn die Rapperswiler nicht allzubegierig gezogen hätten, wäre ihnen der Floss sicher nicht entgangen." Von nun an wagten sich die Schwyzer nicht mehr so nahe an die Stadt heran, denn sie hatten beträchtlichen Schaden erlitten. "Die von Rapperswil schossen in sy als in einen tätz (Tätsch)."

Mit ihrer Flotte hatten nun die Schwyzer die Seeherrschaft inne und verhinderten nach bester Möglichkeit alle Verproviantierungsversuche der Zürcher. Als diese einst mit ihren schwerbeladenen Schiffen den See hinauffuhren, kamen ihnen die Schwyzer mit ihrer gesamten Flotte beim Lattenberg unterhalb Stäfa entgegen. Die Zürcher mussten sich zurückziehen, da sie sich den vielen Schiffen des Feindes gegenüber zu schwach fühlten.

Besser gelang ein zweiter Versuch, der am 18. September 1445 zur Ausführung kam. In der Nacht wurden unter dem Schutze einer starken Bedeckung eine Menge Rinder, Schafe und mit Speise beladene Pferde auf der Seestrasse nach der verbündeten Stadt getrieben. Ohne dass die feindlichen Besatzungen von Pfäffikon, Freienbach und Grüningen, die Rapperswil beständig eingeschlossen hielten, davon etwas merkten, gelangte der grosse Zug an seinen Bestimmungsort.

Bald nachher klagte Rapperswil über Mangel an Waffen und Munition. Aus der Not halfen wiederum die Zürcher mit ihren Jagtschiffen. Im Schutze dichten Nebels verliessen sie am Morgen des 24. September 1445 die Stadt und fuhren den See hinauf. Zwischen Uerikon und Schirmensee wurden sie jedoch von der feindlichen Flotte, die hinter der Ufenau lauerte entdeckt. Die Zürcher vertrösteten sich indes auf ihre schnellen Schiffe. Sie verdoppelten ihre Anstrengungen und hatten wirklich das Glück, dem Feinde zu entrinnen. Unglücklicherweise brach einem Steuermann das Ruder. In voller Rüstung fiel er in den See. Sein Nebenmann, ein Bürger von Meilen, suchte ihn an den Haaren herauszuziehen. Leider war er zu schwach. Er fiel auch ins Wasser, und beide mussten elendiglich ertrinken, da sie ihrer schweren Panzer halber nicht schwimmen konnten. Die beiden Jagtschiffe mussten aber in Rapperswil zurückbleiben. Die Eidgenossen verlegten ihnen voll Ingrimm die Rückfahrt.

Besonders übel hausten die Schwyzer mit ihrer starken Flotte an den Ufern des Zürichsees in der ersten Hälfte des Jahres 1445. Bald erschienen sie am linken, bald am rechten Ufer und zündeten die noch vorhandenen Häuser, Scheunen und Trotten an. Sogar das der Stadt am Nächsten gelegene Zollikon wurde Ende Juli ein Opfer ihres unversöhnlichen Hasses. Wir wundern uns deshalb nicht, wenn Zürichs Trachten dahin ging, die Seeherrschaft wieder zurückzuerobern. In den grossen Waldungen Zollikons, die heute noch sehenswert sind, fällte man viel Holz und baute neben zwei grossen Kriegsschiffen, welche die herzoglichen Fahrzeuge in jeder Beziehung übertrafen, noch zwei mächtige Flösse, die "Gans" und die "Ente".

Eine aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts stammende Ansicht Zürichs zeigt uns zwei stattliche Kriegsschiffe. Sie sehen den herzoglichen Jagtschiffen ähnlich und wir dürfen annehmen, dass es diejenigen seien, die im Sommer 1445 erstellt worden sind.

Über den Flossbau berichtet uns Edlibach sehr anschaulich: "Da hieben die von Zürich gar vil holzes in der von Zollikon wald und machten daraus zwen köstliche flöss, doch einen gar vil grösser als der ander, und besonders der gross war sehr gross. Der trug wohl 800 gewappneter mann und der kleinere wohl 500 mann zu allen büchsen und zeug. Und waren die über alle massen streitbar ausgerüstet, auch mit Schirmen und schusslöchern und brustwehren unten und oben, und die versehn mit vil guter Streitbüchsen klein und auch gross. Die flöss waren zugerüstet mit vilen zugrudern, wenn man an denen zog, dass sie vil schneller fuhren den der Eidgenossen floss, und sie nannten den grossen flos die gans und den kleinen die ente."

Mit diesen neuen Schiffen und Flössen waren die Zürcher den Schwyzern wieder weit überlegen. Sie fuhren damit den See hinauf und ermöglichten die Weinlese. Aber noch eine weit wichtigere Aufgabe harrte der Flotte: Die Befreiung der in Rapperswil eingeschlossenen, herzoglichen Jagtschiffe und die endliche Entsetzung der verbündeten Stadt.

Vor der Seeschlacht bei Männedorf und der damit verbundenen, vierten grossen Verproviantierung, von der unser Abschnitt handelt, meldet Edlibach zwei weitere mit Erfolg gekrönte Versuche, der dem Hunger preisgegebenen Stadt Nahrungsmittel zuzuführen. Eine "uf usztagen im summer", die andere am 8. Juli 1445. Damals seien etwa 800 Mann unter Markgraf von Rötelen mit vielen Karren und Wagen nach Rapperswil gezogen, während gleichzeitig auf dem See die Flotte ungehindert das bedrängte Städtchen erreicht habe. Die erste von Edlibach gemeldete Verproviantierung hat kaum stattgefunden, da die zürcherische Flotte, der dabei die Hauptarbeit zugeschrieben wird, erst im Herbst 1445 kampfbereit wurde; die zweite scheint mit der vierten vom 29. Oktober zusammenzufallen. Damals hat Markgraf von Rötelen die zürcherische Macht angeführt. Edlibach hat jedenfalls die verschiedenen "Speisungen" verwechselt. Er gesteht auch, "dass unter den alten vil reden seien, denn ein teil redt nüt vom tatem (Datum) als der ander."

Die Zürcher hatten ihren vierten Verproviantierungszug mit den Rapperswilern auf den 29. Weinmonat verabredet. Zugleich wollten sie die Höfe und die March erobern. "Sie welltend das tuon über sew und land und daran lib und leben binden." Am festgesetzten Tage fuhren sie mit 12 Schiffen den See hinauf. Sobald die Schwyzer die Zürcher bemerkten, gingen sie ebenfalls von Stapel und fuhren dem Feinde entgegen. Sie waren fest entschlossen, den Kampf mit dem stärkeren Gegner aufzunehmen. Dabei vertrösteten sie sich weniger auf die Stärke ihrer Mannschaft, als auf deren Mut. Als sich die beiden Schiffsarmaden näherten, " huob sich gross not und angst an zu beiden parthyen". Das Ungewöhnliche der Kampfesweise auf dem Wasser hat sie jedenfalls beunruhigt. Bei Männedorf erreichen sie sich und liefern sich eine förmliche Seeschlacht. Die Schiffe fahren ineinander und suchen sich mit den Geschützen Schaden zuzufügen. Der Kampf tobt unentschieden hin und her. Endlich erscheinen auch die Rapperswiler mit den Bregenzerschiffen auf der Wallstatt und entscheiden das Schlachtenglück zugunsten der Zürcher. Die "Gans" der Schwyzer wird durchschossen und ein Teil ihrer Mannschaft verwundet. Sie muss vom Kampfplatze weichen. Auch der "Bär". Der nicht genugsam mit Pulver und Steinen versehen ist, zieht sich zurück. Er geht etwas Unterhalb Bäch ans Lang. Einzig der Kiel hält bis am Abend tapfer stand. Die feindlichen Fahrzeuge umringen ihn und nötigen ihn endlich zur Flucht. Trotzdem er stark beschädigt wird, gelingt es ihm, den Rückzug der schwyzerischen Flotte zu decken. Die Nacht setzt der Seeschlacht zuletzt ein Ende. Die Zürcher fahren, froh ihres Sieges, nach Rapperswil und werden dort von den Bewohnern mit unendlichem Jubel empfangen. Der errungene Sieg lässt diese wieder froher in die Zukunft blicken. Die Schwyzer hatten jedenfalls beträchtliche Verluste, Fründ spricht allerdings nur von 16 Toten. Am 31. Oktober 1445 kehrten die Zürcher wieder heim. Die Bregenzerschiffe wurden an die Flösse gebunden. Unbehelligt erreichten sie die Stadt.

Noch war die schwyzerische Flotte nicht vollends vernichtet, und die Zürcher mussten, wenn sie den See ganz in ihre Gewalt bringen wollten, nochmals zu einem entscheidenden Schlage ausholen. Die Leitung der neuen Expedition übernahm Hans von Rechberg, einer der erbittertsten und unermüdlichsten Gegner der Schwyzer. Zur Ausführung seines Planes, Pfäffikon zu erobern und die Flotte des Feindes ganz zu vernichten, ordnete er einen dreifachen Angriff an. Das linke Seeufer hinauf zog er selbst mit dem Stadt Panner und Leuten vom Schwarzwalde. Durch eine Truppenmacht, die auf zürcherischen  Schiffen auszog und bei der Au anlegte, erhielt er noch Verstärkung. Der zweite Angriff war den Rapperswilern zugedacht. Sie hatten auf Hurden zu landen und im Rücken der schwyzerischen Besatzung von Pfäffikon zu operieren.  Den dritten Angriff vom See her sollte die zürcherische Flotte besorgen.

In der Nacht des 15. Dezembers 1445 brachen die Zürcher auf. Allein es herrschte eine solch grimmige Kälte, dass die beiden Zürcherflösse für gut fanden, in Meilen anzuhalten, damit sich die Mannschaft wärmen konnte. Unterdessen gelangte Rechberg in der Höhe etwas oberhalb Wollerau unbemerkt ins feindliche Gebiet und steckt daselbst einige Häuser und die Brücke an der Schindellegi in Brand. Jetzt erst wurde der schwyzerische Anführer zu Pfäffikon des Landangriffes gewahr. Im Mondscheine hatte er nur die Zürcherflotte, die trotz der Zwischenlandung doch noch vor Tagesanbruch vor Pfäffikon erschien, bemerkt und sich bereit gemacht, ihren Angriff auf die schwyzerischen Fahrzeuge abzuwehren. Sofort zog er mit einem Teile seiner Mannschaft nach Wollerau, um der dortigen Besatzung, die er in der Mitte des Dorfes erreichte, Hilfe zu leisten. Weil ihm die Macht und die Stellung der Zürcher gänzlich unbekannt war, beschloss er, die Gegend durch drei "rösch" Knechte auskundschaften zu lassen. Kaum waren diese einen Steinwurf weit gegangen, als sie auf Zürcher stiessen und mit den Worten: "Näher, näher, zuoher, zuoher, die schelmen und vint sind hie, an sy, an die gehyenden böswicht!" den Kampf eröffneten. Der Angriff der Schwyzer war so wuchtig und kam der zürcherischen Vorhut so unerwartet, dass sich diese mit beträchtlichen Verlusten über Wollerau, wo Hans von Rechberg mit der Hauptmacht lag, zurückziehen musste. Unterdessen brach der Tag an. Sobald die Zürcher die kleine Truppenmacht des Feindes bemerkten, machten sie kehrt. Die Schwyzer wichen etwas und stellten sich endlich am Abhange so auf, dass eine Schlucht zwischen ihnen und der Zürchern weiter Feindseligkeiten verhinderte. Die Zürcher aber begaben sich auf den Kampfplatz zurück, nahmen ihre Gefallenen zusammen, luden sie auf Schlitten und zogen endlich nach Grützen, etwas südlich von Freienbach zurück. Da hielten sie an, wahrscheinlich in Erwartung des Zuzuges derer von Rapperswil, Hier nahmen ihnen auch zürcherische Schiffe die Toten ab und führten sie nach Meilen, wo sie, 78 an der Zahl, auf dem Kirchhof begraben wurden. Die Feind waren den Zürchern indes bis nach Grützen nachgefolgt, allerdings ohne einen zweiten Angriff zu wagen.

Unterdessen waren die Rapperswiler in Hurden ans Land gefahren. Aber es gelang ihnen nicht, sich mit der zürcherischen Hauptmacht zu vereinigen, weil sie von ihr durch Schwyzerbesatzungen von Pfäffikon, die infolge raschen Zuzuges von Zug und Schwyz viel zu mächtig geworden war, getrennt blieben.

Mehr Glück hatte die Zürcherflotte. Bei Pfäffikon näherte sie sich dem Ufer und feuerte so heftig auf die dort wachenden Schwyzer, dass diese hinter den Häusern des Dorfes Schutz suchen mussten. Rasch stiegen dann die zürcherischen Krieger auf den "Bär", banden ihn los und führten ihn mit den Büchsen weg.

Sobald Hans von Rechberg bei anbrechendem Tage den Rückzug der Flotte sah, wich er nach Freienbach zurück. Um den nachfolgenden Feind aufzuhalten, zündete er dieses Dorf an und floh dann eiligst der Stadt Zürich zu.

Für die Schwyzer war genug Sieg. Sie hatten den unerwarteten Angriff der Zürcher aufhalten können, bis der Zuzug der übrigen Eidgenossen aus der March und von Zug erfolgte. Zwei Fehler liessen den nicht üblen Plan Rechbergs vereiteln. Wenn dieser sich still ohne Häuser anzuzünden, vom Berg an den See herabgelassen, wäre der unglückliche Nachtstreit, in dem die Zürcher nach den Aufzeichnungen späterer Chronisten einander selbst geschadet haben sollen, vermieden, die Besatzung von Pfäffikon überrascht und vertrieben worden. Der zweite Fehler bestand darin, dass die Flotte in Meilen anhielt. Ihr Angriff und derjenige der Rapperswiler erfolgte nicht zu gleicher Zeit. Diese sahen Pfäffikon noch unversehrt und mussten, da sich den Eidgenossen schon zuziehende Scharen bemerkbar machten, weichen.

Am 5. Tage nach der Schlacht kamen etwa 100 in Trauer gekleidete Frauen aus der Stadt Zürich in zwei Schiffen den See hinauf und baten die Schwyzer unter Tränen um die Gefallenen, die noch auf der Wallstatt zurückgelassen worden waren. Ihren Bitten vermochten die Schwyzer nicht zu widerstehen. Sie willigten ein. Den Gesellen aber, die beim Transport der Leichen nach den Schiffen behülflich waren, musste pro Leichnam fünf Schillinge verabfolgt werden. Noch 102 Mann, ohne diejenigen, welch man nach Meilen gebracht hatte, wurden auf dem Platze gefunden. Still und ruhig, wie er gekommen war, glitt der traurige Zug hierauf wieder nach der Stadt zurück, und Fründ meint dazu: "So mussten die Zürcher für das Dorf Freienbach und den geraubten Floss ein schweres Pfand zurücklassen. Die Schwyzer zählten nur 15 Tote.

Am 24. Dezember 1445 zogen die Zürcher mit ihrer ganzen Seemacht wiederum aus, um noch den Kiel und die Gans der Schwyzer unschädlich zu machen. Bei Pfäffikon und Altendorf näherten sie sich dem Ufer und warfen mit ihren Geschützen so eifrig Feuerkugeln in die Dörfer, dass niemand auf den Gassen bleiben konnte. In Pfäffikon wollten sie sich der übrigen Schiffe der Schwyzerflotte bemächtigen. Weil diese aber zu stark angebunden waren und teilweise auf trockener Erde lagen, konnten sie ihrer nicht habhaft werden. Deshalb suchten sie, sie mit Feuerpfeilen in Brand zu stecken. Auch diese erreichten ihren Zweck nicht. Zuletzt liefen die Zürcher auf die feindlichen Fahrzeuge, zerhieben Laden und Balken, trugen alles leicht Brennbare zusammen und gaben es den Flammen preis. Erst als alle Schiffe völlig unbrauchbar gemacht waren, zogen sie "umb bättgloggen" ab.

So endigte das Jahr 1445 mit der vollständigen Vernichtung der schwyzerischen Flotte. Die Seeherrschaft hatten sich die Zürcher, allerdings mit beträchtlichen Opfern, endlich erzwingen können. Natürlich blieben sie jetzt nicht müssig. Oft fuhren sie in den Obersee hinauf und verheerten dessen Ufer. Bals waren sie vor Pfäffikon, bald vor Freienbach, "bald oben, bald unten in der March," schossen "grülich" aus ihren Schiffen und Flössen, stiegen sogar an Land, erstachen Feinde und zündeten Häuser und Scheunen an. Einer der grössten Streifzüge fand am 8. März 1446 statt.

Endlich war man des Krieges allseitig müde. Es wurden Friedensverhandlungen eingeleitet, die am 12. Juni 1446 zu einem Waffenstillstand führten. Weitere Rechtstage in Kaiserstuhl und Einsiedeln förderten, wenn auch langsam, das Friedenswerk, das endlich am 13. Juli 1450 seinen Abschluss fand.

Nach dem Zürichkriege sank die Flotte bald in Vergessenheit. Die Flösse und die meisten Schiffe wurden nach und nach baufällig und mussten zerstört werden. Nur wenige blieben so gut erhalten, dass sie im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, als neue Zwistigkeiten die Eintracht der Eidgenossen lähmten, der Renovation würdig erachtet wurden. Die beiden Bregenzerschiffe zum Beispiel waren kurze Zeit nach dem 1446 abgeschlossenen Waffenstillstande unter Wasser gesunken. Im Jahre 1448 bat deshalb der Herzog die Zürcher, seine zwei grossen Schiffe aufzuziehen und trocknen zu lassen, er wolle sie zu sich nehmen. Ob seiner Bitte entsprochen worden ist, kann nicht festgestellt werden.

Die nächste Verwendung fand die Flotte im Wädenswilerhandel des Jahres 1468. Damals erhob die Regierung zu Stadt und zu Land eine Leib- und Gutssteuer welch durch den Ankauf von Winterthur notwendig geworden war. Die Wädenswiler, über die Zürich durch ihre Streitigkeiten mit dem Ordensmeister die eigentliche Oberherrschaft nach und nach an sich gezogen hatte, widerstrebten, weil sie meinten, als Angehörige des Johaniterordens die Steuer nicht schuldig zu sein. Trotzdem Schwyz die Ungehorsamen in ihrem Trotze heimlich bestärkte, griff Zürich unverzüglich zu Gewaltmassregeln. Auf seinen Schiffen schickte es 1500 Mann nach Wädenswil und besetzte es. Auch die Schwyzer zogen aus, und ein Zusammenstoss schien unvermeidlich. Da gelang es Bern, das als Schiedsrichter angerufen worden war, zu vermitteln. Wädenswil musste sich fügen.

Bis dahin scheint also die einst so berühmte Kriegsflotte aus dem Zürichkriege einigermassen intakt geblieben zu sein.

 

Die Kriegsflotte im 17. Und 18. Jahrhundert.

 

Erst das 17. Jahrhundert mit seinen Glaubenskriegen liess die Flotte wieder zu neuer Blüte erstehen. So vernehmen wir aus dem Jahre 1619, es sollen am See und bei der Stadt Zürich Schiffe bereitgehalten werden, damit man Grüningen und Wädenswil im Falle eines feindlichen Einbruches auf dem See sofort Hilfe bringen könne. Am 7. Weinmonat traf in Zürich die Nachricht ein, dass sich in der Nacht vorher 80 Mann aus der March und von Lachen bei Rapperswil an die Grenze gelegt hätten. Sofort musste der zürcherische Bauherr bei der Stadt sechs ausgerüstete Schiffe bereitlegen lassen, und die von Männedorf erhielten den Befehl, " dass si an irer hab zweng gerüstete schiff halten sollind, damit, so von den Wachten (Hochwachten) warnung kemind, dass untrüw vorhanden, man sich der schiffen gebruchen und einander zuspringen könne."  Zu einem Waffengange kam es diesmal allerdings nicht.

Um diese Zeit ging Zürich an die Ausführung der vierten Stadtbefestigung. Die hohen Ausgaben hiefür machten die Erhebung von Staatssteuern notwendig. Das Landvolk, das eben durch eine Reihe misslicher Fehljahre sehr geplagt war, fing an zu murren und offenkundig eine feindselige Haltung einzunehmen. Diese Tatsache war gewiss auch eine Mitursache zu dem am 2. September 1645 zustandegekommenen Ratsbeschluss, den Grindel zu bewachen, und zwei neue Schiffe zum Transport von Geschütz und Munition bauen und viele Boote zur Beförderung von Mannschaft requirieren zu lassen. Schon im folgenden Jahre brach der Widerstand offen aus und zwar im Knonaueramt und vor allem in Wädenswil. Die Regierung schritt sofort zu kriegerischen Massnahmen. Montag den 21. September 1645, zogen die Truppen teils zu Land teils zu Wasser den See hinauf. Gegen Mittag fuhr das zum Angriffe von der Seeseite bestimmte Truppenkorps in einer über 100 Boote zählenden "Armada" geführt von zirka 500 Schiffsleuten, mit 2800 Soldaten bei 11 Fahnen, nebst vier grossen Kanonen, viel Munition und Lagerzeug vom Horn weg in guter "Ordre de Bataille" hinauf gegen Wädenswil, vor dem man um 5 Uhr unter Alarmzeichen erschien. Sofort sandte der Kommandant Leu nach Befehl und Kriegsgebrauch einen Trommler mit der schriftlichen Aufforderung zur Übergabe an die Untertanen, die vorbereitet mit weissen Stecklein in den flehend ausgestreckten Händen am Gestade standen oder herbeieilten. Sie zeigten sofort ihre Ergebung auf Gnade und Ungnade an. Dementsprechend wurde das Kriegsvolk alsbald ausgeschifft, kompagnieweise zwischen Kirche und Schloss zu eindrucksvoller Demonstration seiner furchtbaren Stärke aufgestellt und sodann in beiden fehlbaren Gemeinden, Berg und Tal, einquartiert. Am 25. September kehrte die Armada, nachdem die armen Wädenswiler die Waffen abgeliefert und absoluten Gehorsam gelobt hatten, zur Stadt zurück.

Auch bei der kriegerischen Unternehmung Zürichs gegen die katholischen Orte im ersten Villmergerkriege, als das zürcherische Heer zu Land und zu Wasser unter dem in französischen Diensten emporgekommenen General Rudolf Werdmüller zu der verfehlten Belagerung von Rapperswil ausrückte (28. Dezember 1655), wirkte die Flotte mit. Wider alles Erwarten zog sich die Belagerung, die der General nach seinen prahlerischen Aussagen in 24 Stunden vollenden zu haben glaubte, wochenlang hinaus. Namentlich der Umstand, dass Rapperswil mit dem linken Ufer verbunden war, erschwerte den Erfolg derselben. Werdmüller musste sich deshalb entschliessen, die Schanzen auf dem Hurdnerfeld und sodann die Brücke über den See zu zerstören. Am 9. Januar 1656 landete er mit 4 Schiffen der zürcherischen Flotte, die mit 600 Mann besetzt waren, auf der Ufenau. Nachdem er daselbst 50 Mann zurückgelassen hatte, fuhr er nach Pfäffikon. Des dichten Nebels wegen konnte er unbemerkt ans Ufer gelangen und die Mannschaft ausschiffen, Leider wurde diese beim Vorrücken entdeckt. Alle feindlichen Posten der Umgebung wurden sofort alarmiert, und Werdmüller sah sich gezwungen, den Rückzug anzutreten. Auf der Ufenau liess er abermals 50 Mann zurück. Der "Seegfrörne" wegen, die in Aussicht stand, musste er jedoch dieses Detachement, wenn es nicht abgeschnitten werden wollte, bald zurückziehen.

In kurzer Zeit hatte die Flotte zweimal wertvolle Dienste geleistet. Es wundert uns deshalb nicht, dass der Rat mehr denn je an deren bessere Ausgestaltung dachte. So sollten durch Ratsbeschluss vom 6. November 1656 "wegen gegenwärtig continuierenden, misslichen Läufen" zwei neue Kriegsschiffe aus eichenem Holz gemacht, die übrigen noch vorhandenen repariert, ein neuer doppelter Schopf zu ihrer Aufbewahrung ausser den Fortifikationswerken erbaut, ein neuer Grendel in den See vor den alten hinausgesetzt, die Einfahrt mit Palisaden und einem Schutzgatter besser verwahrt, und der Pass vermittelst einer zu spannenden Kette versperrt werden. Die beiden Schiffe wurden "Biber" und "Otter" getauft. Der Schiffschopf stand auf einer nur durch einen Damm zugänglichen Insel vor dem Spitzbollwerk, am linken Ufer des Fröschengrabens gegenüber dem Kratzturm und ungefähr an der Stelle des heutigen Hotel Baur am See.

Auf einem Grundriss, der allerdings aus dem 18. Jahrhundert stammt, ist ersichtlich, dass der Schopf aus zwei Teilen bestand. Rechts ist der eigentliche Schiffsschopf, in dem die Schiffe durch ein weitgeöffnetes Tor einfahren konnten. Er  war 100 Fuss lang und 50 Fuss breit (ca. 33 x 16 m) und stand auf drei Seiten auf eichenen Pfählen, die bis unter die Dachpfetten reichten; auf der vierten hingegen ruhte er auf einer Mauer. Ringsum war er mit Brettern eingewandet und besass "weiter kein Gebälk zu einem Boden." Nebenan schloss sich ein zweiter Schopf , der später etwa Wasserschopf genannt wurde und wohl als Werfte diente. Vor ihm ist deutlich die Rampe (Auffahrt) sichtbar. In diesem Raume wurden die Schiffe getrocknet und repariert. So tritt uns mehrmals die Verfügung entgegen, "es sollen die Schiff ins Wasser gelassen und zu etwa vorfallendem Gebrauch bereitgehalten werden." Um den Schiffsschopf und um die Schanze, die zu seinem Schutze vor ihm liegt, zieht sich eine starke Palisadenreihe. Rechts befindet sich die Einfahrt. Leider fehlen dem Plänchen jedwelche Erklärungen, so dass man vielfach auf Vermutungen angewiesen ist.

Ein weiteres Bild, das in einer Ecke nichts als den Namen "Georg Bürkli" trug, zeigt uns die Gestalt des Schiffsschopfes noch deutlicher. Jedenfalls war er ein stattliches Gebäude, das weithin sichtbar war. Im Vordergrunde schwimmt das 1790-92 erbaute Kriegsschiff "Stadt Zürich". Wenn das dargestellte Fahrzeug mit dem aus dem Jahre 1790 stammende Modell nicht ganz übereinstimmt, darf uns das nicht wundern. Dergleichen kommt nicht selten vor. Der Maler hat jedenfalls den Schopf darstellen wollen, und zur Belebung der vor ihm liegenden Wasserfläche setzte er noch, weniger Aufmerksamkeit verwendend, ein Bild des Kriegsschiffes.

Der Maler des hübschen Gemäldes ist vermutlich Hans Georg Bürkli-Meyer (1763 - 1811), Leiter des kaufmännischen Direktoriums, daneben Pannerhauptmann und Generaladjudant. Er hat, wie viele seiner Zeitgenossen, das Zeichnen und Malen als Liebhaberei, aber mit anerkennungswerter Fertigkeit betrieben. Bekanntschaft mit Interesse für den Schiffsschopf mag er von Jugend auf gehabt haben, da das Land westlich vom Schopf, unmittelbar jenseits des Schanzengrabens, die sogenannte "Bürkliwiese" Eigentum seiner Eltern war.

Allein die beiden neuerbauten Schiffe, der "Biber" und der "Otter," genügten den Zürcher noch nicht. Schon 1661 liessen sie sich von zwei Schiffsmeistern aus Lindau Bericht über den Bau von neuen Kriegsschiffen erstatten. Diese erklärten, anlässlich der Konstanzerbelagerung zwei Arten gesehen zu haben, sogenannte Jagt- und Postschiffe. Die ersteren seien 90 Fuss lang, vorn und hinten zugespitzt, und würden zur Erstellung 5 Eichen benötigen. Für die Postschiffe, die bloss 60 Fuss lang seien, würden dagegen nur 4  Eichen Genügen. Junker Hauptmann von Göldli erbot sich hierauf, an den Bodensee zu reisen, um dort die Zweckmässigkeit dieser Schiffe zu prüfen. 1664 reichte er alsdann ein Projekt zu einer "Schiffsarmadur" ein. Leider sind seine Beobachtungen und Erfahrungen nirgends niedergelegt. Er empfiehlt nur die Erstellung von zwei grossen Schiffen, zu deren Bedienung 196 Mann nötig seien. Sodann erachtet er auf dem See noch zirka 34 ganze und halbe "Nauen" zur Beförderung von Kriegsvolk als notwendig. Allein die Regierung trat noch nicht auf seine Vorschläge ein; jedenfalls waren sie zu unvollkommen, die Sache schien zur Zeit überhaupt noch zu wenig abgeklärt.

Erst in den Neunzigerjahren des 17. Jahrhunderts fand eine beträchtliche Verstärkung der Kriegsflotte statt. Damals liess Zürich neuerdings zwei Kriegsschiffe bauen, den "Neptun" und das "Seepferd". Über die beiden erfahren wir: "Sie seyn in Form einer Galeere, in jedem hat es zwei Kammeren und zwey Gallereyen, auf welche man Stuck (Geschütze) pflanzen kann. Auch seyen Gablen daruf für die Doppelhacken und 2 Reihen Bänck für die ruderknechte. Man kann sie mit ringer Mühe in den See bringen, weilen das Wasser nächst bei er Hütten tief und wie ein Meerhafen eingeschranket und mit Bäumen besetzet ist. Sie seyn gleich gross. Jedes hat einen sonderbaren (besonderen) Hauptmann." Sie wurden gehörig mit Kanonen ausgerüstet, das Seepferd zum Beispiel mit einem Katouche-Stück, mit dem "Hecht," dem "Karpf," mit zwei kleinen Einpfünderschiffskanonen und zwei Werdmüllerstückli (Steinmörser).

Der "Neptun," der ähnlich bewehrt war, ist auf dem Neujahrskupfer der Feuerwerkergesellschaft vom Jahre 1694 vom zürcherischen Maler Johannes Meyer nach der Natur hübsch dargestellt und mit folgendem, etwas holperigen Versen begleitet worden:

"Der Zürichsee, Neptuni Zird' und Ehre,

Dem keine Seen sich gleichen nach und ferne

Mit Schiffen, Fischen, Flötzen

Und aller Herrlichkeit,

Thut Stadt und Land ergetzen

Zu Lust und Nutzbarkeit.

 

In Friedenszeit mit Standes Ehr zu fahren,

In Kriegszeit diess Kleinod zu bewahren,

Zu schützen und zu trutzen

Ist dis Neptun Gebäuw

Gemacht zu gemeinem Nutzen

Aus kluger Sorg und Tröuw.

 

In Gottes Begleit mit Wind- und Ruderflügeln

Es Drachen gleich schäumt her aus Wasserhügeln

Mit Rauch, Blitz, Donner, Stürmen

Zu Frewden und Gewalt

Kann streiten und beschirmen.

Im Fried uns Gott erhalt!

 

Das neue Schiff hat die Form, wie sie im 15. Und 16. Jahrhundert gebräuchlich war, verlassen. Vorn ist es der grösseren Beweglichkeit halber spitzig. Nach der Segelinschrift "Deo Duca" fährt es unter Gottes Schutz. Die langen Ruder stechen aus offenen Löwenrachen heraus. Zwischen drin sind Kanonenluken sichtbar.

Von den Schiffsgeschützen sind im Landesmuseum noch zwei vorhanden, der Hecht und der Karpf. Beides sind Zweipfünderkanonen und tragen die Jahreszahl 1692.

Ein Schiffsgeschütz ist sehr wahrscheinlich auch die Einpfünder-Kanonenhaubitze des Göldli von Tiefenau. Sie stammt aus der Füssli'schen Giesserei und weist die Jahrzahl 1674 auf. Je nach Bedarf konnte sie als Kanone oder Haubitze verwendet werden.

Zur Orientierung auf dem See, namentlich bei Herbst- und Winternebeln, dienten der Schiffskompass und die Kompasstafel. Sie wurden auf einen Pfosten, der in der Nähe des Hecks stand, so aufgelegt, dass die Kompassnadel den schwarzen Pfeil der Tafel deckte. Diese selbst ist eine sechseckige, dicke Scheibe aus Holz, auf der die Richtung nach den verschiedenen Ortschaften des Sees aufgezeichnet sind. Der Kapitän hatte die Kiellinie seines Fahrzeuges mit der Linie der betreffenden Ortschaft, die er zu erreichen suchte, in Übereinstimmung zu bringen.

Im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts wuchs die Spannung zwischen den beiden Konfessionen neuerdings. Da trugen Bürgermeister und Rat ihren Kriegsräten auf, alle notwendigen Massregeln zu treffen, damit die Stadt auf jeden Fall gerüstet sei. Bei diesem Anlasse wurde auch das Schiffsmaterial sorgfältig geprüft. Dabei ergab sich, dass der Regierung neben zwei grossen Kriegsschiffen, Neptun und Seepferd, am rechten Ufer 14 ganze und halbe Nachen und am linken 18 Fahrzeuge zur Verfügung standen. Für jedes der beiden grossen Schiffe waren 25 mit Gewehr und Bajonett bewaffnete Ruderknechte bestimmt, die übrige Mannschaft sollte von Fall zu Fall, je nach Bedürfnis, aus den Landtruppen genommen werden. Auf jedes Schiff gehörten fernerhin 6 Kanonen mit zugehöriger Munition an Kugeln und Pulver und 12 Konstabler zu ihrer Bedienung. Schiffsprediger mussten, sofern sich ein Unglück ereignen sollte, für das Seelenheil der Mannschaft sorgen. Schiffsoffizier auf dem Neptun war Johann Obrist von Zollikon, auf dem Seepferd Heinrich Spürli von Bendlikon. Den Oberbefehl über die ganze Flotte führte Bauherr Diebold, im Notfalle hatte ihn Zeugherr Johann Scheuchzer zu vertreten.

Schon zwei Jahre später wurde das Schiffsmaterial abermals gründlich untersucht und dabei gefunden, dass die beiden grossen Schiffe einer gründlichen Reparatur bedurften.

Der bald darauf ausbrechende zweite Villmergerkrieg bot nur bescheidene Gelegenheit, die Kriegstüchtigkeit der Flotte zu erproben. Um dem Feind auch auf dem Wasser die Spitze bieten zu können, wurde unter dem Namen des "Seeramements" aus den beiden Kriegsschiffen und 8 weiteren Fahrzeugen eine Flottille gebildet. Vorerst dient sie für den Transport von Truppen nach dem Toggenburge. Auf der Ufenau legte sie dann längere Zeit an, um die Bewegungen des Feindes auf dem Obersee zu beobachten. Die Mannschaft scheint sich nicht einer besonderen Disziplin bemüht zu haben. Sie plünderte ein Bauernhaus durch Wegnahme von drei Glocken. Später, als auf dem Obersee einige Schiffe und Flösse bemerkt wurden, bat sie dringend um Zuzug. Während der Kämpfe, die in der Folge auch an verschiedenen Schanzen am Richterswilerberge ausbrachen, kreuzte sie noch öfters den See. In den aktuellen Krieg konnte sie jedoch nie eingreifen.

Lange hatte die Flotte nun wieder in Untätigkeit zu verharren. Wir hören nur von Ausfahrten; so verliess zum Beispiel das Seepferd am 15. Oktober 1777 den Schiffsschopf um die nach Rapperswil abgeordnete Gesandtschaft abzuholen. Zu diesem Zwecke hin war es mit 6 Schiffskanonen, welchen bei der Rückkehr 6 Kanonen von der Bauschanze antworteten, ausgerüstet worden.

Um diese Zeit wird uns wiederum von Reparaturen Mitteilung gemacht. Insbesondere der Neptun war sehr gebrechlich geworden. Die Kosten betrugen 335 französische Livres und 36 Schilling. Zugleich wurde das Amt eines Schiffsmeisters geschaffen. Er hatte die Schiffe zu beaufsichtigen und "niemand, als wer Beruf und Pflicht dazu hat, an den Ort, wo sie aufbewahrt sind, einzulassen". Für seine Arbeit bezog er jährlich 30 - 40 Pfund Besoldung.

Im Herbst des Jahres 1783 wurde die Kriegsflotte zu der alljährlich wiederkehrenden, militärischen Übung herbeigezogen. Das Seedienstkorps hatte nämlich bis dahin noch keine eigentliche Übung gemacht, so dass man es nun an der Zeit fand, einmal zu zeigen: "Wie durch eine genaue Übereinstimmung der Wirkungen des Artillerie- und Infanteriekorps mit den zweckmässigen und benötigt sorgfältigen Bewegungen der Fahrzeuge eine Aktion auf dem Wasser könne bewerkstelligt werden und daneben die Schönheit und Stärke unserer Festungs- und Aussenwerke gegen den See, und wie dieselben regelmässig verteidigt werden müssen, anschaulich zu machen.

Der grössere Teil der Flotte war als feindliches Geschwader supponiert. Der andere Teil hatte mit den auf den Befestigungswällen aufgestellten Geschützen den Seeangriff abzuwehren.

Dieses kriegerische Schauspiel hat einen so begeisterten, zeitgenössischen Schilderer gefunden, dass wir dessen Darstellung in nur wenig abgeänderter Form wiedergeben wollen:

Am 7. September 1783 wurden im Schiffsschopf und vor dem Hechtplatz 31 grosse und kleine Fahrzeuge "mit allen Zierraten und übriger Erfordernis ausgerüstet". Um 6 Uhr Morgens des folgenden Tages versammelten sich die beorderten Mannschaften, 1250 Mann stark, auf den ihnen angewiesenen Sammelplätzen: die Infanterie des Offensiv- und Defensivkorps, die Schiffsleute und die Artillerie. "Einen vorzüglichen Eindruck machten die beiden Schiffskompagnien von 64 Matrosen, zu denen noch 48 gewohnte Schiffsleute gezogen wurden, die meist aus starkbärtigen Männern von nervosem Gehalt bestunden. In ihren blauen Beinkleidern, weissen Gilets, dunkelblauen Habitwesten mit heiterblauem Revers und Aufschlägen, rundem mit Band und Federn geschmücktem Korsenhut und langem an der Seite hängenden Stilet, machten sie ein recht gutes Aussehen." Das Offensivkorps setzte sich nun in Bewegung. Ihm fuhr die Avantgarde in drei Weidlingen, in denen je 12 Mann sassen, voran. Dann kam die Flottille, jedes Schiff in Schiffslängedistanz vom anderen entfernt. Unter den Schiffen waren der Neptun und das Seepferd die ansehnlichsten. Dem Seepferd, das mit 8 Kanonen und mit Stabsoffizieren besetzt war, gingen 2 Barken mit je 48 Mann voran. Zu beiden Seiten bewegten sich 4 kleine boote mit je 4 Adjudanten schnell hin und her. Sie hatten die nötigen Befehle und Rapporte zu besorgen. Hierauf folgten wieder 2 Barken mit je 44 Mann, dann der Neptun mit 6 Kanonen und einer halben Infanteriekompagnie, dann 1 Barke mit 44 Infanteristen, dann ein zweites Kanonenschiff mit 2 Kanonen und zuletzt eine Barke mit 44 Kollegianten. "Die blauen Flaggen und Wimpel flatterten nach dem Wehen eines sanften Westwindes, und man hörte mit Entzücken wechselweise die blasende Musik und das durch die schneidenden Ruder im Wasser entstehende Geräusch ertönen." Von beiden Ufern fanden sich viele Zuschauer in kleinen und grösseren Fahrzeugen ein. In angemessener Entfernung folgten sie der Flotte nach.

Nach einer halbstündigen Fahrt ertönten auf den Seepferd Signale, und die Offensivflotte bewegte sich wieder der Stadt Zürich zu. Von hier fuhr ihr das Defensivkorps, 468 Mann stark, in 14 Barken, ebenfalls in Schiffslängeabstand entgegen. Die beiden Avantgarden fingen nun an, "einander zu observieren und aufeinander zu feuern". Während dieses Geplänkels näherten sich die Flotten immer mehr. In kurzer Zeit entwickelte sich sodann eine förmliche Seeschlacht, in der das Offensivkorps mit geschickten Wendungen den Gegner zu überflügeln verstand. Dieser bemühte sich indes, dem lebhaften Feuer des Feindes, so gut als möglich, zu entweichen. "Dabei herrschte ein solches Donnern und Schmettern, dass alle umliegenden Gebäude erbebten."

Inzwischen waren auf den Festungswerken der Stadt die nötigen Verteidigungsmassregeln getroffen worden, um den Rückzug der Defensivflotte zu decken. Auf allen Schanzen waren Kanonen aufgepflanzt, die sich, als die Offensivflotte es wagen wollte, den Gegner, der sich unterdessen vorteilhaft zwischen den Wasserschanzen längs der Palisaden gesetzt hatte, vollends zu schlagen und in die Stadt zu gelangen, plötzlich demaskierten und von allen Seiten auf den zudringlichen Feind losbrannten. "Der untere Teil des Sees schien dabei einem blitzenden und donnernden Feuerdrachen ähnlich." Solchen Widerstand vermochte die Offensivflotte nicht zu überwinden. Sie musste den Rückzug antreten. In bester Ordnung verschwand sie hinter dem Zürichhorn. Damit war das Seegefecht zu Ende. Dass es aber eine wirklich imposante Aktion gewesen sein muss, beweist, wie wir aus anderer Quelle vernehmen, der Umstand, dass dabei 981 Pfund Pulver für Kanonen- und 894 Pfund für Flintenpatronen verbraucht wurden.

Mit der Zeit waren der Neptun und das Seepferd sehr baufällig und für grössere kriegerische Unternehmungen untauglich geworden. Da verschafften sich die Zürcher im letzen Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts wiederum ein neues Kriegschiff, das die bisherigen an Grösse weit übertraf und den Namen "Stadt Zürich" erhielt. Es wurde unter der Anleitung des allerweltkünstlers Brunnenmacher Fenner aus Wiedikon erbaut. Das Modell hiezu findet sich im Landesmuseum. Fenner legte es 1790 der Regierung vor und liess sich dafür 200 Pfund bezahlen (Seckelamtsrechnung 1790). Später gelangte der überaus wertvolle Gegenstand durch Hans Konrad Escher, der am 16. Mai 1794 Generalinspektor des Seewesens wurde, in den Besitz der Familie Escher und blieb uns so erhalten. Am Buge ist ein Löwenkopf sichtbar. Nahe am Heck steht der Pfosten, auf dem der Kompass zu liegen kam. Aus den Lucken an den Schiffseiten gucken abwechslungsweise Ruder und Kanonenläufe.

In den Jahren 1791 - 92 baute Fenner das Kriegsschiff fertig. 1793 machte es seine erste Fahrt, und 1795 rüstete man es kriegerisch aus. Leider ist uns über seine Grösse nichts bekannt. Wir erfahren nur, dass es sehr schlecht segelte und namentlich bei hohem Wellengange überaus schwer fortzubewegen war. Die Kosten seiner Erstellung waren sehr gross. Gerold Meyer von Knonau sagt hierüber: "Es ist sogar die Behauptung aufgestellt worden, Zürich hätte aus dem für diesen Schiffsbau verwendeten Gelde eine zweite Fahrbare Brücke erhalten können." Soviel ist gewiss, dass dafür mindestens 14'000 Pfund bezahlt wurden.

Das neue Kriegsschiff leistete mehrmals vorzügliche Dienste. Nach den Aufzeichnungen des Obersten und Schanzenherrn Jakob Christof Reinacher fuhr es im Stäfner Handel zum erstenmal den See hinauf nach Stäfa.

 

Die Kriegsflotte im Dienste der Österreicher.

 

Eine weit wichtigere Rolle spielte das Kriegsschiff in den stürmischen Kriegszeiten um die Wende des 18. Jahrhunderts, als unser Vaterland der Kriegsschauplatz fremder Heere wurde. Durch die erste Schlacht bei Zürich war es den Österreichern gelungen, die Franzosen hinter die Limmat und auf den Albis zurückzudrängen. Um die Verbindung des linken mit dem rechten Seeufer, soweit das erstere von den Franzosen besetzt war, zu verhindern, wurden von den Österreichern Seepatrouillen angeordnet. Diese hatten den See öfters zu traversieren, auf alle französischen Posten und Bewegungen am linken Seeufer zu achten, alle die ihnen begegnenden Schiffe aufzuhalten und zu untersuchen und nachher Rapport zu erstatten. Es waren leichte Jagtschiffe mit vier tüchtigen Schiffern, einem österreichischen Unteroffizier und vier bis acht Mann besetzt. Mit Seitengewehr, Fernrohr und Kompass ausgerüstet, fuhren die Insassen gewöhnlich auf der einen Seite des Sees bis Rapperswil hinauf und auf der anderen wieder hinunter. Das Kommando führten junge Zürcher Offiziere, zum Beispiel Oberst Reinacher, Hauptmann Vögeli und Rittmeister Bodmer. Die Zahl der auf dem See kreuzenden Schiffe stieg bald auf zwölf, so dass der Schiffsdienst, zu dem die Zürcher kurzerhand verpflichtet wurden, diesen bald beschwerlich erschien. Da die Patrouillen je nach Bedürfnis nahe ans Ufer heranfahren, ja sogar, um Bericht einholen oder abzugeben, landen mussten, hatten sie oft mit den auf sie lauernden Franzosen kleine Scharmützel zu bestehen.

Neben diesen Patrouillen aber sollte noch eine förmliche Flotte ausgerüstet werden, um nach Bedürfnis Truppen ans rechte oder linke Ufer verschieben zu können. Die Aufgabe, eine solche zu bilden und kampffähig zu machen, übernahm der englische Oberstleutnant James Ernst von Williams. Zu diesem Ende hin überliess ihm die Zürcher Interimsregierung sogleich das grosse Kriegsschiff. Er armierte es mit drei Zwölfpfünder- und zwei Siebenpfünderhaubitzen. Die Besatzung zählte 60 Mann. Acht weitere Fahrzeuge, unter denen jedenfalls auch noch der Neptun und das Seepferd waren, hatten je nur ein Geschütz und wurden von 16 - 23 Mann bedient. Die Geschütze samt der notwendigen Munition musste das Zeughaus Zürich liefern. Die Flotte fuhr unter österreichischer Flagge aus. Gewöhnlich lag sie hinter Zürichhorn im Riesbach. Als Bedeckung hatte daselbst das 60. ungarische Regiment ein Lager bezogen. Im Horn standen zwei Kanonen mit einem Infanterieposten. Mehrmals fuhr Williams den See hinauf, um die Franzosen, die in Hurden, Pfäffikon und Lachen Schanzen aufwarfen, zu beunruhigen. Einmal stellte er auf der Anhöhe der Lützelau eine Batterie auf, mit der er Hurden längere Zeit, jedoch ohne Erfolg, beschoss.

Um diese Zeit unternahm Bau-, Rats- und Zeugherr Landolt mit dem "Neptun" eine Seefahrt, um mit Einpfünderschiffskanonen und zwei Doppelhacken einige Schiessversuche zu unternehmen. Dabei machte er folgende seltsame Beobachtung. Sobald er die Palisaden verlassen hatte, begann er mitten durch den See hinaufzuschiessen. Während nun die eisernen Einpfünderkugeln, sobald sie aufs Wasser trafen, sich nochmals erhoben und eine ganz andere Richtung einschlugen, folgten die Bleikugeln der Doppelhacken ihrer ersten, geraden Richtung.

Im August 1799 fand eine Verschiebung der Heeresmassen statt. In Zürich wurden die Österreicher unter Erzherzog Karl und Feldmarschall Hotze durch die Russen ersetzt. Deren General Korsakoff erhielt die Aufgabe, die Stadt Zürich, sowie die Limmat- und Aarelinie bis zum Rhein hinunter zu decken. Hotze dagegen sollte mit seinen Österreichern das weitausgedehnte Gebiet von Männedorf, see- und linthaufwärts über Glarus und Bünden bis an die italienische Grenze schützen und die Verbindung mit Suworow herstellen. Am 29. August 1799 verliess Hotze Zürich, um in seine neue Stellung zu treten. Im grossen Kriegsschiff nahm er mit dem Prinzen von Lothringen, mit seinem Stabschef Oberst Plunquet und mit einem englischen Obersten Platz. Seinem Schiffe folgten viele kleinere Fahrzeuge, in denen sich das 60. Ungarische Regiment, 3000 Mann stark, befand. Morgens früh war der Flottille Abfahrt. Mit drei Kanonenschüssen bekomplimentierte sie die Stadt. In Stäfa wurde zu Mittag gespeist. Abends kam sie in Rapperswil an.

Auch von ihrem neuen Standorte aus suchten die einzelnen Schiffe der Flotte, die Verbindung der Franzosen mit dem rechten Ufer zu verwehren.

Die verbündeten Russen und Österreicher planten endlich auf Ende September 1799 einen neuen Angriff gegen die Franzosen. Zu diesem Zwecke fuhr Hotze in der Nacht vom 17.- 18. September mit dem Kriegsschiffe nach Zürich, um in mündlicher Beratung mit Korsakoff die Einzelheiten des Vorgehens zu beraten. Auf den 26. September wurde die Ausführung festgesetzt. Dabei war der Flotte auch eine Aufgabe zugedacht. Eine der verschiedenen Angriffskolonnen sollte mit von Williams requirierten Schiffen, die bei Rapperswil und Stäfa bereitgestellt wurden und später den vordringenden Franzosen in die Hände fielen, unter den Schutze der Flotte über den See geschafft werden, um dort die Höhen von Hirzel und Hütten zu besetzen. Allein die Verbündeten hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht; die Franzosen kamen ihnen zuvor. Schon am 25. September überschritten sie die Limmat bei Dietikon und die Linth oberhalb des Zürichsees. Zur Unterstützung ihres Planes hatten sie auf dem Obersee ebenfalls eine Flotille ausgerüstet. Sie bestand aus 12 Nachen und 3 Kanonenbooten. Um das Auslaufen der feindlichen Flotte aus dem Hafen von Rapperswil zu erschweren, liessen sie überdies auf Hurden eine Batterie aufpflanzen.. Der Angriff der Franzosen glückte ganz. Hotze fiel schon am frühen Morgen des 25. September, und damit war sein Heer des umsichtigen Führers beraubt. Die französische Flotte auf dem Obersee unterstützte den Angriff auf die Österreicher, so gut sie konnte. Sie landete in Schmerikon eine Truppenabteilung, vermochte dann aber während des ganzen Tages nichts Bedeutendes mehr auszurichten. Auch Williams Flotte blieb untätig. Ihr Anführer erhielt infolge des unglücklichen Todes des General Hotze am 25. September keine bestimmten Befehle und glaubte daher immer noch, sie zu dem auf den folgenden Tag angesetzten Truppentransport über den See bereithalten zu müssen.

Lange Kämpfe nötigten die Österreicher am 26. September 1799 endlich zum allgemeinen Rückzuge. Bevor sie Rapperswil verliessen, bohrten sie auf Williams Befehl noch die mächtigsten Schiffe in den Grund, und als die Franzosen bald hernach das Städtchen besetzten, fanden sie nur noch 7 Schaluppen vor. Ausserdem erbeuteten sie in Stäfa noch etwa 50 Schiffe. Es waren diejenigen, die zum Transport der österreichischen Truppen über den See nach Bäch und Richterswil bereit standen.

 

Der Flotte Untergang.

 

Die "Stadt Zürich" und einige andere der versenkten Schiffe wurden bald nachher durch französische Pioniere gehoben, wieder flott gemacht und nach Zürich geführt. Am 30. Dezember 1801 schrieb der in Zürich weilende französische Platzkommandant, fern von aller französischer Höflichkeit, an die Regierung: "Je vous envite de faire commander dix ouvriers, qui à compter de demain, devront s'en occuper sans relâch, et chaque jour jusqu'à sa parfaite confection." (Ich lade Sie ein, zehn Arbeiter zu kommandieren, welche ab morgen gezählt, damit beauftragt sind, und jeden Tag bis zu seiner vollkommenen Fertigstellung) Vermutlich wurde dem Wunsche nicht entsprochen. Das Kriegsschiff, das durch die Versenkung am meisten gelitten hatte, lag fernerhin gebrechlich im Schiffsschopfe, bis der Franzose, der ja wohl wusste, dass seine Wünsche damals den Zürchern Befehle waren, Ende 1802 zum zweitenmale bestimmt und Ausdrücklich die Ausrüstung von zwei Kanonenbarken verlangte. Sogleich anerbot sich die Regierung, das im Schiffsschopf liegende Kriegsschiff, welches sie 1801 der Gebrechlichkeit halber als nicht reparaturwürdig vorgegeben hatte, wieder seetüchtig zu machen. Der Platzkommandant willigte ein, nur mussten die Reparaturen so schnell als möglich vollendet sein. Brunnenmacher Fenner führte sie bis zum 31. Januar 1803 zu Ende. Die Kosten betrugen 872 Franken. Damit war aber der französische Machthaber nicht zufrieden. Er forderte noch die Bemalung des Schiffes und die Herstellung von Kabinetten, Pulvermagazinen und Galerien. Nicht genug! Das Schiff musste noch mit 3 Ankern, 3 Ankerseilen, 2 Wassereimern, 2 dreifarbigen Flaggen und 2 kleinen Schiffsjägern, jeder mit vier Rudern und Ketten, ausgerüstet sein. Ins Offizierzimmer des Schiffes verordnete er überdies einen Tisch mit 6 Stühlen. Sämtliche Reparaturen verursachten einen Kostenaufwand von 1100 Franken. Jetzt war das Schiff wieder brauchbar. Als am 18. April 1803 die durch die Einführung der Mediationsakte bedingten neuen Wahlen vorgenommen wurden, zog man es aus dem Schiffsschopf. Während und nach der Wahl der Mitglieder des kleinen Rates und des Bürgermeisters umgaben die französische Garnison und die Polizei zu Wasser und zu Land das Rathaus, auf der Brücke paradierten Karabiniers mit Kanonen, auf dem Weinplatze waren Jäger zu Pferde, und auf der Limmat fuhr das Kriegsschiff unter fränkischer Flagge. Die Franzosen, die damals schmählich die eidgenössische Selbständigkeit mit Füssen traten, wollten den Zürchern recht eindrucksvoll ihre Abhängigkeit und Ohnmacht zeigen.

Auch im Bockenkriege fand das Kriegsschiff Verwendung. Damals diente es nur zu Truppentransporten. Seine vier Zweipfünderkanonen hatte man auf drei Barken, welche am hinteren Ende zur Aufstellung der Geschütze überbrückt waren, verbracht. Diese Flotille hatte die linke Flanke der unter Oberst Ziegler zur Unterwerfung des Willischen Aufstandes am linken Ufer hinaufziehenden, eidgenössischen Truppen zu decken. Bei Oberrieden wurden die Schiffe von Willi, freilich erfolglos beschossen. In Horgen landeten sie hierauf zur Ausladung der Schiffsmannschaft.

Zwei Jahre später war das Kriegsschiff wieder äusserst gebrechlich geworden. In der Mitte des Bodens zeigte sich infolge der Versenkung eine solche Schwäche, dass die engere Militärkommission, welche die Instandstellung des Schiffes prüfte, der weiteren den Vorschlag machte, es sorgsam schleissen zu lassen und das Eisenwerk, das wohl 200 französische Livres abwerfen könnte, sowie das noch gute Holz für ein neues, viel dienlicheres Kriegsschiff nach einem Plane des Herrn Feldzeughauptmannes Schulthess zu verwenden. Die weitere Militärkommission trat jedoch nicht auf den Vorschlag ein, denn das Schiff finden wir 1810, nachdem 1807 zur Beförderung von Truppen und Geschützen auf dem See wieder eine besondere Schiffskompagnie von 118 Mann formiert worden war, an den zürcherischen Herbstmanövern bei Küsnacht. In seiner Geschichte der zürcherischen Artillerie erzählt der Verfasser, Oberstleutnant David Nüscheler, sehr anschaulich, wie damals die Schiffskompagnie auf dem Kriegsschiffe und auf zwei Kanonenbooten von Zürich nach Küsnacht ausfuhr, daselbst landete, dessen Besatzung vertrieb und bergan bis nach der Allmend verfolgte, wie er ferner als Kanonier bei einem der Schiffsgeschütze mitwirkte und mit der Schwefelkerze die Schüsse losbrannte. Die Manöver bildeten damals nicht nur für die aktiven Teilnehmer, sondern auch für die Zuschauer, die zahlreich herbeiströmten, eigentliche Volksfeste, wobei es in den naheliegenden Wirtschaften hoch herging. Nüscheler berichtet uns zum Beispiel von Küsnacht, dass der Gasthof zur Sonne damals ganz überfüllt und er froh gewesen sei, als er in dessen Labyrinthe endlich die mit Kanzleibuchstaben geschriebene Anschrift: "Zimmertür für die Herren Artilleristen," entdeckt habe.

Die Fahrt des Kriegsschiffes an die Manöver zu Küsnacht war die letzte. Bald  nachher wurde es seiner Baufälligkeit wegen zertrümmert, und mit ihm verschwand der letzte grosse Zeuge der einstigen Zürichseeflotte. Die Zürcher hatten endlich eingesehen, dass ihr See kein Schlachtfeld sei und eine Kriegsflotte nicht viel tauge. Vom grossen Kriegsschiffe, das ehedem so viel Redens von sich gemacht hatte, ist uns nichts mehr als der hölzerne Löwe, der den Bug schmückte geblieben. Er befindet sich im Landesmuseum. In seinen Pranken hielt er einst das Zürcherwappen.

Auch der Schiffsschopf, der seit seiner Erbauung die Kriegsflotte beschirmt und Zeuge ihres Unterganges geworden war, hatte nun seine Aufgabe erfüllt. 1822 dachte man zwar noch daran, ihn zur Aufbewahrung von Munitionswagen einzurichten. Allein das alte Gebäude war durch Windstösse so sehr aus seinen "Hauptlagen" gewichen, dass man es nicht mehr für reparaturfähig hielt. 15 Jahre später wurde es endlich um 1120 Franken (ohne die Ziegel) an Baumeister Locher zur Abtragung versteigert, denn der Platz, wo es stand, war bei der Schleifung der Zürcher Stadtbefestigung zu Verfüllung im See nötig geworden.

Dass das Kriegsschiff schon kurze Zeit nach den Küsnachter Herbstmanövern verschwand, beweist der Umstand, dass der Gastwirt zum Schwert, Felix Peter, 1812 ein Lustschiff erbauen liess. Zu Seepartien mit angesehenen Fremden fehlte nun eben in Zürich ein geeignetes Fahrzeug. Es war von ebenso gefälligem Äussern als niedlichem Innern und wurde sehr oft von Einheimischen und Fremden zu Fahrten auf dem See benutzt, zum Beispiel 1814 von der Kaiserin Luise. 1818 bot es der Besitzer der zürcherischen Regierung zum Kaufe an. Diese jedoch trat auf das Angebot nicht ein, und bald nachher ging dieses Fahrzeug auch unter.

Mit der Kriegsflotte verschwand ein eigenartiges Charakteristikum der guten alten Zeit. Der heutigen Generation klingt es fast wie märchenhaft, wenn erzählt wird, dass einst mächtige Kriegsschiffe den Spiegel unseres friedlichen Zürichsees durchfurcht haben und dessen Uferbewohner mehrmals Zeugen von blutigen Seegefechten gewesen seien. Uns dünkt aber, dass die wunderlichen Fahrzeuge zum Bilde der alten Stadt Zürich mit ihren Wällen, Türmen und Mauern gepasst haben. Sie waren ein prägnantes Zeichen der Romantik jener Tage, da noch keine pustende Eisenbahnen, knatternde Flugmaschinen und surrende Autos die Nerven der Menschen hetzten.

 

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